Borkum. „Als ich an meinem ersten Tag hier die Düne hochgestiegen bin, war ich schweißgebadet und musste erst einmal verschnaufen“, erzählt Ottmar Glaser. Der 57-Jährige kam nach einer langen Krankheitsgeschichte zur Post-Covid-Syndrom-Reha in die Klinik Borkum Riff der Deutschen Rentenversicherung Bund – knapp ein Jahr, nachdem er sich mit dem Virus infiziert hatte.
Die Erkrankung begann vermeintlich harmlos mit Magen-Darm-Beschwerden, doch bald stellten sich Atembeschwerden und Husten ein. Ottmar Glasers Zustand verschlechterte sich so rapide, dass sich die Ärzte entschieden, ihn zur künstlichen Beatmung (ECMO) ins Koma zu versetzen. Bis Ende Mai 2020 lag Glaser im künstlichen Koma und wurde im Juni von der ECMO entwöhnt. Auch wegen diversen Komplikationen war Ottmar Glaser, als er Ende Juni in die Frühreha kam, noch sehr geschwächt – er hatte nur ein Mindestmaß an Lungenfunktion und war weiterhin auf zusätzliche Sauerstoffzufuhr angewiesen. Ihm war aber eines klar, wie er sagt: „Ich wollte auf gar keinen Fall als Pflegebedürftiger heim.“
Nach seiner Entlassung im Oktober 2020 nutzte Glaser die Zeit zuhause, um seine körperliche Fitness zu verbessern, merkte aber, dass er immer noch viel aufzuholen hatte: „Nach anderthalb Minuten auf dem Ergometer hatte ich schon wieder Schnappatmung und habe hyperventiliert“, berichtet er. Ab Beginn des Jahres konnte er das Sauerstoffgerät zwar immer öfter ganz weglassen, aber zur weiteren Behandlung der Langzeitfolgen seiner Covid-19-Erkrankung war eine Folgereha nötig.
Borkum mit seinem Seeklima bot sich an – nicht zuletzt, weil bei Ottmar Glaser die Nachwirkungen der akuten Erkrankung im Wesentlichen auf die Lunge beschränkt waren. „Zu Beginn der Reha hatte ich bei stärkerer Belastung immer noch deutliche Einschränkungen – ein Belastungsgefühl, als wenn man ständig gegen einen Deckel atmet.“ So war dann auch die Atemgymnastik einer der Bestandteile der Reha, die Glaser therapeutisch als ganz besonders hilfreich erlebt hat und mit deren Hilfe es ihm gelang, von der reinen Bauchatmung wegzukommen und wieder die Lunge ihrer Aufgabe nachkommen zu lassen. „Als gesunder Mensch denkt man gar nicht darüber nach, wie man atmet, ich aber musste es richtig wieder lernen.“
Inhalationen, Ausdauertraining wie Schwimmen, Nordic Aqua und Spaziergänge in der Seeluft gehörten zu den weiteren Punkten auf dem Tagesplan, außerdem Vorträge wie zum Beispiel zur gesunden Ernährung und Gruppengespräche. In Borkum-Riff werden die Post-Covid-Syndrom-Patienten als feste Gruppe therapiert und reisen daher auch zur selben Zeit an- und ab, die Behandlung jedes einzelnen Patienten ist dabei aber stets auf den individuellen Fall abgestimmt.
Ottmar Glaser nahm die Angebote dankend an: „Ich habe mir vorgenommen, trotz aller Rückschläge, die ich erlebt habe, positiv ranzugehen“ – und er rät anderen, die sich in einer ähnlicher Situation wiederfinden: „Man sollte so einen Reha-Aufenthalt nicht als ,Kurlaub’ sehen, sondern täglich an sich arbeiten. Mein Glaubenssatz: Von nichts kommt nichts.“ Für Ottmar Glaser schließt sich an die Reha in Borkum die Wiedereingliederung an – mit dem Ziel, nach der mehr als einjährigen „Zwangspause“ wieder in seinem Beruf arbeiten zu können.
Amena Pamirzad ist Fachärztin für Innere Medizin und Chefärztin der Pneumologie in Borkum Riff. Sie hat auch Ottmar Glaser behandelt – für sie ein Fall, der zeigt, wie groß das Spektrum der möglichen Folgen einer Covid-19-Infektion ist. „Nach einem schweren Verlauf wie diesem, wo der Patient über Wochen, manchmal sogar Monate, nur passiv bewegt wurde, hat man es mit massivem Verlust an Muskelmasse und oft auch mit Gelenkverschleiß zu tun.“ In vielen Fällen bringen Patienten, die über längere Zeit eine Lungenersatztherapie, also künstliche Beatmung, brauchten, nach Pamirzads Erfahrungen aber auch psychische Probleme mit: „Ein schwerer Krankheitsverlauf hinterlässt oft einen posttraumatischen Schaden. Die Patienten müssen lernen, ihre Erkrankung anzunehmen.“
In dem Zusammenhang sieht Pamirzad auch den Austausch zwischen den Patienten, der In Borkum-Riff fest zum Programm der Post-Covid-Reha dazugehört, als extrem wichtig an. „Gruppentherapie gehört zu unserem speziellen Post-Covid-Konzept, in dem sich die Ärzte, die Physiotherapeuten und die Ergotherapeuten eng miteinander abstimmen. Der Austausch hat einen enormen Effekt auf die Fähigkeit der Patienten zur Krankheitsbewältigung.“ Unter anderem stehen ausführliche Diagnostik, Physiotherapie, Ergotherapie, Atemtherapie, Thoraxmassagen, Fasziengymnastik und psychologische Behandlung als Elemente für einen ganzheitlichen Behandlungsansatz, der die Selbstheilungskräfte der Patienten fördern soll.
Der Standort Borkum ist für Post-Covid-Patienten ideal, weil das Seeklima seinen Teil zur Heilung beiträgt. Der hohe Anteil salzhaltiger Aerosole in der Luft hat einen sekretlösenden, die Lungenfunktion stärkenden Effekt und lindert so Kurzatmigkeit.
Eine Post-Covid-Reha kommt nicht nur für Betroffene wie Ottmar Glaser in Frage – auch wer bei der Erstinfektion nur einen milden Verlauf mit Covid-19 hatte, kann Langzeitfolgen spüren. Typische Symptome sind etwa ständige Müdigkeit („Fatigue“) und Gelenkschmerzen, teils auch Einschränkungen oder sogar der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Auch solchen Patienten, deren Sauerstoffsättigung in der Norm liegt und die auch sonst keine physiologischen Auffälligkeiten zeigen, können durch Ausdauertraining und die weiteren therapeutischen Maßnahmen in der Reha eine Besserung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes erfahren.
Die Klinik Borkum Riff wurde im Jahr 1983 eröffnet. Sie liegt inmitten einer reizvollen Dünenlandschaft auf der größten ostfriesischen Insel, dem Nordseeheilbad Borkum im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Auf Borkum laden der 20 Kilometer lange Sandstrand, vielfältige Rad- und Wanderwege mit ausgewiesenen Nordic-Walking-Strecken ebenso wie geführte Strand- und Wattwanderungen sowie Ortsführungen, zu sportlichen Aktivitäten ein. Die Insel bietet zahlreiche einzigartige Sehenswürdigkeiten: Leuchttürme, das Heimatmuseum „Dykhus“ und Deutschlands letztes Feuerschiff „Borkum Riff“, das heute im Schutzhafen vor Anker liegt und als Museum dient.
Der Badetourismus hat auf Borkum lange Tradition: Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte die Insel zu den wichtigsten deutschen Seebädern, dank der Dampfschiffverbindung nach Emden, der 1888 in Betrieb genommenen Inselbahn (die bis heute bestehende „Borkumer Kleinbahn“) und vieler neu gebauter Hotels und Pensionen.
Behandlungsschwerpunkte im Reha-Zentrum Borkum Riff sind Pneumologie, Dermatologie und Allergologie. Außerdem ist die Klinik für die Indikation Tumorerkrankungen der Haut zur Anschlussrehabilitation (AHB) zugelassen. Die Klinik verfügt über 190 Einzelzimmer mit Dusche, Toilette, Selbstwähltelefon und Notrufanlage. TV und WLAN stehen den Patienten gegen eine Gebühr zur Verfügung.
Die Reha-Kliniken der Deutschen Rentenversicherung haben vielfältige Behandlungsmöglichkeiten und bieten auch neue Chancen nach der Post-Covid-Erkrankung. Da das Post-Covid-Syndrom eine Vielzahl an Krankheitsbildern vereint, wird auf interdisziplinäre Therapieangebote gesetzt. Im Zentrum stehen dabei Atemtherapien kombiniert mit Ausdauer-, Bewegungs- und Krafttraining, Kreativ- und Ergotherapie, Psychotherapie sowie Gedächtnistraining. Der Behandlungsplan wird hierbei auf das individuelle Krankheitsbild zugeschnitten. In den Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung gelten individuelle Hygienekonzepte, die eine sichere Rehabilitation ermöglichen.
Alle Informationen und Antragsformulare für eine medizinische Rehabilitation oder eine Anschlussrehabilitation gibt es auf www.deutsche-rentenversicherung.de unter dem Menüpunkt Reha. Gerne hilft auch das Team des Service-Telefons unter der kostenlosen Nummer 0800 1000 4800 weiter.