ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
mit dem diesjährigen „Tag der Selbstverwaltung“ feierte am 18. Mai ein wichtiges Prinzip der Sozialversicherung Jubiläum: Vor 65 Jahren konnten Versicherte und Rentner in Sozialwahlen erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg darüber abstimmen, wer ihre Interessen in den Parlamenten der Sozialversicherung vertreten soll.
Mit dieser erfreulichen Meldung möchte ich meinen heutigen Bericht beginnen und begrüße Sie auch im Namen des Vorstandes ganz herzlich. Wie immer informiere ich Sie zunächst über die Vorausschätzung der Einnahmen und Ausgaben sowie das Vermögen der allgemeinen Rentenversicherung, sprich: Die Finanzlage der allgemeinen Rentenversicherung. Und die ist, soviel vorab, weiterhin positiv.
Unter Teilnahme von Experten der Deutschen Rentenversicherung Bund, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und des Bundesversicherungsamtes hat sich in der Zeit vom 23. bis zum 25. April 2018 der so genannte Schätzerkreis Rentenfinanzen in Berlin zur Abstimmung des Rechnungsergebnisses für das Jahr 2017 und der Vorausberechnungen bis zum Jahr 2022 getroffen. In diesen Vorausberechnungen wurde bereits die Rentenanpassung zum 1. Juli 2018 berücksichtigt. Ebenso die Ergebnisse der Steuerschätzung, die vom 7. bis 9. Mai 2018 stattgefunden hat. Nicht berücksichtigt wurden hingegen die im Koalitionsvertrag fixierten Maßnahmen, wie die Mütterrente II, die Einführung von Haltelinien für Rentenniveau und Beitragssatz, die Verlängerung der Zurechnungszeit bei EM-Renten oder die paritätische Finanzierung der Beiträge zur Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2019.
Grundlage der Schätzung ist das vorläufige Rechnungsergebnis für das Jahr 2017.
Für 2017 wurden Einnahmen in Höhe von insgesamt 293,8 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 293,2 Milliarden Euro ermittelt. Es ergibt sich also ein Einnahmenüberschuss von rund 500 Millionen Euro. Die Nachhaltigkeitsrücklage ist von Ende 2016 bis zum Ende des Jahres 2017 um rund 1 Milliarde Euro auf 33,4 Milliarde Euro angewachsen und entspricht Ende 2017, wie im Vorjahr, 1,62 Monatsausgaben.
Nachdem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bereits im März die Zahlen der nächsten Rentenanpassung zum 1. Juli 2018 veröffentlicht hatte, hat auch der Bundesrat am 8. Juni der Rentenwertbestimmungsverordnung 2018 abschließend zugestimmt. Die Renten steigen um 3,22 Prozent in den alten und um 3,37 Prozent in den neuen Bundesländern.
Bei einem Beitragssatz von 18,6 Prozent gehen wir von Einnahmen im Jahr 2018 in Höhe von 304,1 Milliarden Euro und Ausgaben in Höhe von 303,1 Milliarden Euro aus. Aufgrund des prognostizierten Einnahmenüberschusses von rund 1 Milliarde Euro steigt die Nachhaltigkeitsrücklage bis Ende 2018 auf bis zu 34,8 Milliarden Euro an. Dies entspricht 1,62 Monatsausgaben.
Während die Beitragseinnahmen von 224,6 Milliarden Euro auf 233,5 Milliarden Euro und der Bundeszuschuss von 67,8 Milliarden Euro auf 69,6 Milliarden Euro ansteigen werden, werden die Ausgaben für Renten von 254,9 Milliarden auf 263,5 Milliarden Euro und für die Krankenversicherung der Rentner von 18 Milliarden Euro auf 18,7 Milliarden Euro anwachsen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
kommen wir nun zur Vorausschätzung bis zum Jahr 2022.
Für die Finanzentwicklung der Rentenversicherung ist in erster Linie die Lohn- und Arbeitsmarktentwicklung im Inland von Bedeutung. Hierbei geht es weniger um die Veränderung der Zahl der Arbeitnehmer insgesamt als vielmehr um die der Beschäftigten ohne Beamte und Ein-Euro-Jobs, also die Beitragszahler. Es ist zu erwarten, dass bis zum Jahr 2022 die Zahl der Beitragszahler weiter ansteigen wird und zwar von fast 38 Millionen Ende 2017 auf rund 39,3 Millionen Ende 2022. Bei der Zahl der Arbeitslosen wird von einem stärkeren Rückgang ausgegangen als bisher angenommen. Dies sind gute Aussichten für die allgemeine Rentenversicherung, insbesondere natürlich hinsichtlich der Einnahmen aus Pflichtbeiträgen. Denn bei jährlichen Steigerungen der beitragspflichtigen Löhne und Gehälter von mehr als drei Prozent wird sich der Anstieg der Beitragseinnahmen fortsetzen.
Neben den Beitragseinnahmen spielt der Bundeszuschuss eine wichtige Rolle. Die drei Bestandteile des Bundeszuschusses sind der allgemeine Bundeszuschuss, der zusätzliche Bundeszuschuss und sein Erhöhungsbetrag. Die Fortschreibung dieser Zuschüsse ist gesetzlich unterschiedlich geregelt. Mit Ausnahme des Bundeszuschusses Ost, dessen Höhe sich erst im laufenden Jahr ergibt, werden alle Bundeszuschüsse in der Regel jeweils zum Ende des Vorjahres mit dem Haushaltsgesetz des Bundes festgelegt.
Der allgemeine Bundeszuschuss West verändert sich mit den durchschnittlichen Bruttolöhnen und –gehältern je Arbeitnehmer und mit der Veränderung eines gesondert berechneten Beitragssatzes, wie er sich ohne zusätzlichen Bundeszuschuss ergeben würde. Der Bundeszuschuss wurde im Jahr 2013 um 1 Milliarde Euro und in den Jahren 2014 bis 2016 um jeweils 1,25 Milliarde Euro gekürzt. Diese Kürzung ist mit Ablauf des Jahres 2016 weggefallen. Der zusätzliche Bundeszuschuss verändert sich mit dem Aufkommen eines Prozentpunktes der Umsatzsteuer im betreffenden Jahr. Das voraussichtliche Umsatzsteueraufkommen im Mittelfristzeitraum ist Gegenstand der Steuerschätzung, die vom 7. bis zum 9. Mai 2018 stattfand. Der Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss ist schließlich an die Veränderung der Bruttolohn- und –gehaltssumme geknüpft und steigt entsprechend der günstigeren Wirtschaftsannahmen der Herbstprojektion der Bundesregierung schneller. Der gesamte jährliche Bundeszuschuss steigt von 67,8 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 81,1 Milliarden Euro im Jahr 2022 an.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
unter den genannten und einigen weiteren Annahmen, die hier vernachlässigt werden können, kann der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung im Jahr 2019 voraussichtlich um 0,1 Prozentpunkte auf
18,5 Prozent noch einmal reduziert werden. Bis einschließlich 2022 bliebe er danach stabil bei diesen 18,5 Prozent.
Unter diesen Voraussetzungen werden die Ausgaben ab dem Jahr 2019 die Einnahmen übersteigen. Bis zum Jahr 2022 steigen die Einnahmen auf rund 348,6 Milliarden Euro und die Ausgaben auf rund 358 Milliarden Euro an. Das heißt, künftig werden die Ausgaben die Einnahmen deutlich übersteigen, mit der Folge, dass die Nachhaltigkeitsrücklage in großen Schritten abgebaut wird. Ein Unterschreiten der Mindest-Nachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben ist nach den Vorausberechnungen im Jahr 2023 zu erwarten. Insofern wird prognostiziert, dass der Beitragssatz ab dem 1. Januar 2023 um 0,2 Prozentpunkte auf 18,7 Prozent angehoben werden muss.
Das Netto-Rentenniveau vor Steuern bliebe bis zum Jahr 2024 bei knapp über 48 Prozent. Im Jahr 2025 würde es voraussichtlich auf 47,5 Prozent sinken.
Zur Erinnerung: Hier sind die im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen noch nicht berücksichtigt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ob und in welchem Umfang die dargestellten Prognosen anzupassen sein werden, hängt daher auch von der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Vorhaben der neuen Bundesregierung ab.
Hierbei gibt der neue Arbeitsminister, Hubertus Heil von der SPD, ein beachtliches Tempo vor. Fast könnte der Eindruck entstehen, er wollte seine Vorgängerin Andrea Nahles noch übertrumpfen. Zwei Rentenpakete und ein umfassendes Rentenkonzept für die Zukunft will er in dieser Wahlperiode umsetzen beziehungsweise auf den Weg bringen. Noch vor dem Sommer, so seine Ankündigung, soll das erste Rentenpaket vorgelegt werden. Hiermit beabsichtigt der Arbeitsminister eine doppelte Haltelinie einzuziehen, die die Beiträge und das Rentenniveau stabil hält. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass bis zum Jahr 2025 das Rentenniveau auf dem Stand von 48 Prozent bleibt und gleichzeitig der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigt. Gleichzeitig, so der Arbeitsminister, würden die Erwerbsminderungsrente und die Mütterrente verbessert werden.
Welche Position die Selbstverwaltung der Deutschen Rentenversicherung Rheinland und die Geschäftsführung zu diesen Vorhaben einnehmen, wurde bereits hinreichend diskutiert. Viel interessanter ist die Fragestellung, wer die geplanten Zusatzleistungen finanzieren soll.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass Arbeitsminister Heil hinsichtlich der gewünschten Haltelinien und Leistungsverbesserungen regelmäßig darauf hinweist, dass ein deutlich höherer Steuer- oder, wie wir ihn nennen, Bundeszuschuss notwendig sei. Möge der Arbeitsminister gehört werden.
Minister Heil hat auch schon bekannt gegeben, um was es im „Rentenpaket 2“ im kommenden Jahr gehen soll. Im Fokus wird dann die Einbeziehung der Selbstständigen ohne obligatorische Absicherung in die Rentenversicherung und die sogenannte Grundrente stehen.
Herr Dr. Wohlleben hat im Rahmen seiner Einführung bereits auf die Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ hingewiesen. Inzwischen haben die zehn Mitglieder dieser Rentenkommission ihre Arbeit aufgenommen. Die Kommission soll Empfehlungen erarbeiten, wie die Rente auch für künftige Rentnergenerationen ab 2025 ungefähr auf dem heutigen Niveau gesichert werden kann, ohne dass die Beiträge drastisch steigen. Die Rentenkommission, die am Mittwoch letzter Woche erstmalig zur gemeinsamen Arbeit zusammentrat, muss vor allem zwei Aspekte berücksichtigen: die demografische Entwicklung und die aktuellen rentenpolitischen Vorhaben der großen Koalition, die zu Mehrausgaben der Rentenversicherung führen. Vom Jahr 2025 an wird sich die demografische Entwicklung verstärkt auswirken. Die geburtenstarken Jahrgänge der „Babyboomer-Generation“ werden dann in Rente sein beziehungsweise gehen.
Spannend ist, wie gesagt, wer den Überweisungsträger für die Rentenpakete der Bundesregierung ausfüllen darf. Ich glaube, man muss kein Pessimist sein, um der Annahme zu erliegen, dass die Rentenversicherung bei den erneuten Milliarden-Ausgaben nicht ungeschoren davon kommen wird. Doch wir geben die Hoffnung nicht auf, dass die Vertreter der Rentenversicherung in der neuen Kommission ihren Sachverstand und ihren Einfluss einbringen und zu vernünftigen, sachgerechten Entscheidungen der Bundesregierung beitragen können.
Ihren Bericht mit Empfehlungen für einen verlässlichen Generationenvertrag soll die Rentenkommission im März 2020 vorlegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Rentenversicherung kam in der Vergangenheit meist immer dann in den Medien vor, wenn es um schlechte Nachrichten, insbesondere falsch berechnete Renten oder geringe Rentenanpassungen ging. In letzter Zeit hat sich dies ein wenig gewandelt. Grund hierfür ist nicht nur die steigende Attraktivität der Rentenversicherung und ihres krisensicheren Umlageverfahrens in Zeiten von Minizinsen. Auch die neue Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung stellt sich den Vertretern der Presse regelmäßig für Interviews zur Verfügung und sorgt für ein Geraderücken der öffentlichen Wahrnehmung der Deutschen Rentenversicherung. Im Mai gab es ebenfalls eine erfreuliche Meldung in der Rheinischen Post (RP): Rentenbescheide werden von den Versicherten besser akzeptiert. Die RP berichtete, dass die Zahl der Widersprüche in den letzten zehn Jahren deutlich um 36 Prozent gesunken sei. Allein im Jahr 2017 sei die Zahl der Widersprüche gegenüber dem Vorjahr um rund sieben Prozent gesunken. Grund hierfür seien einerseits eine wachsende Zahl an geklärten Versicherungsverläufen infolge des Versands der Renteninformationen und andererseits verbesserte Rentenbescheide der Deutschen Rentenversicherung. Ich finde, das ist ein sehr beachtlicher Erfolg und auch mal einen Applaus für die anwesenden Vertreter der Verwaltung und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wert.
Wir hatten gestern Gelegenheit, unsere kardiologische Schwerpunktklinik Roderbirken in Leichlingen zu besuchen und uns vor Ort von der Qualität und dem breiten Leistungsspektrum der Klinik zu überzeugen. Ich möchte mich nochmals im Namen der Vertreterversammlung und des Vorstandes bei der Klinikleitung und den engagierten Beschäftigten vor Ort bedanken, die uns ihre Klinik überzeugend präsentiert haben. Die Klinik Roderbirken genießt aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Rehabilitationsangebote bundesweites Renommee. Dies wird ganz aktuell auch dadurch belegt, dass die Deutsche Hochdruckliga und die Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention die Klinik Roderbirken als bundesweit zertifiziertes Hypertoniezentrum ausgezeichnet haben. In Deutschland leidet inzwischen fast jeder dritte Erwachsene unter Bluthochdruck. In der Klinik Roderbirken können auch Patienten mit schwer einstellbarem Bluthochdruck fachgerecht versorgt werden. In Leichlingen wird bereits seit vielen Jahren täglich unter Beweis gestellt, dass eine hohe Qualität in der Rehabilitation nicht zu Lasten der wirtschaftlichen Betriebsführung geht, denn die Klinik Roderbirken zählt zu den bundesweit wirtschaftlichsten Kliniken der Deutschen Rentenversicherung.
Der Vorstand verfolgt mit großem Interesse die qualitative und wirtschaftliche Entwicklung unserer eigenen Rehabilitationskliniken. Auch für die anderen Kliniken unserer Klinikkette verläuft diese Entwicklung weiterhin positiv. Herr Krumnack wird in seinem Bericht auf weitere Einzelheiten eingehen.
Doch auch außerhalb unserer Kliniken ist rund um die Rehabilitation einiges in Bewegung.
Zurzeit finden auf Bundesebene Überlegungen statt, wie Rehabilitation und Prävention in der Deutschen Rentenversicherung weiter entwickelt werden können. Der Bundesvorstand der Deutschen Rentenversicherung Bund hat im Frühjahr einen ersten Strategieworkshop unter Beteiligung von Selbstverwaltungsmitgliedern und Geschäftsführern in Berlin durchgeführt, um neue Wege für eine noch wirksamere und wirtschaftlichere Rehabilitation und Prävention zu entwickeln. Zum Jahresende sollen in einem zweiten Strategieworkshop erste Ideen und Diskussionsansätze konkretisiert werden. Dabei stehen die Themen Erfolgsqualität in der Rehabilitation, nachhaltige und effektivere Nachsorge, neue Wege an Kooperationsstandorten und die Stärkung der Prävention im Mittelpunkt.
Des Weiteren arbeitet die Deutsche Rentenversicherung zurzeit an einem Konzept für ein neues Vergütungssatzmodell in der Rehabilitation. Die Anforderungen an ein neues Vergütungsmodell bestehen darin, die Objektivität und Transparenz der Vergütung für alle Marktteilnehmer zu erhöhen, die Vergütung rechtskonform an Qualitätskriterien auszurichten und bundesweit einheitliche Vergütungskriterien und damit einen einheitlichen Marktzugang zu gewährleisten. Das Vergütungssatzmodell soll zum Jahresende dem zuständigen Bundesarbeitsministerium vorgelegt werden.
Mit diesem Ausblick bin ich für meinen Teil mit meinen Ausführungen für heute am Ende und bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.