„Entscheidend für den Erhalt und die Stärkung der Demokratie sind die Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger sowie die Bereitschaft, sich politisch zu engagieren,“ sagte Münkler am 10. Juni auf der Vertreterversammlung in München. Der emeritierte Professor für Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, Autor vieler Beststeller (zuletzt: „Welt in Aufruhr - Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“) und gefragte Experte und Berater sprach zum Schwerpunktthema „Demokratie stärken!“. Dabei erläuterte er die Herausforderungen, auf die demokratische Gesellschaften seit Jahren stoßen, und wie vor diesem Hintergrund eine mögliche Zukunft aussehen könnte.
Münkler nannte mehrere Ursachen für die Beobachtung, dass demokratische Systeme unter Druck geraten. So fehle es einerseits an der Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Sie erwarten in der Regel von der Politik, dass sie liefern müsse. „Diese Konsumentenpolitik ist für die Demokratie gefährlich.“ Andererseits hätten veränderte Aufgabenverteilungen im Privaten und die Bedeutung von Work-Life-Balance dazu geführt, dass vielen Menschen die Zeit fehlt, um sich politisch einzubringen. Wir müssten uns daher als Gesellschaft fragen, so Münkler, wie wir den Einsatz für die Politik wieder attraktiver machen könnten.
Eine weitere Bedrohung für die Demokratie sieht Münkler in Wut und Zorn. Beide Gefühle spielten im politischen Alltag eine immer größere Rolle und Bürgerinnen und Bürger schluckten sie zunehmend herunter. Dies führe zu anhaltendem Groll und zu „Denkzettel-Wahlen“, wie wir sie derzeit in Europa erleben.
Darüber hinaus macht Münkler einen sich verändernden Fortschrittsbegriff als zunehmende Herausforderung aus. Viele Jahrzehnte verstand man darunter die Weiterentwicklung des Wohles für das ganze Volk. Dies sei kein kollektiver Standard mehr. Unterschiedliche Fortschrittsbegriffe führten - nicht zuletzt in der aktuellen Regierungskoalition - zu Uneinigkeit und unklarer Führung.
Vor diesem Hintergrund sei es besonders wichtig, in neue Formen der Bildung zu investieren, damit die Menschen solche Entwicklungen sehen, einordnen und sicher beurteilen können. Dies sei umso bedeutender für die Zukunft der Demokratien, weil die Autokratien weltweit auf dem Vormarsch seien. Der demokratische Sozialstaat sei also weiter unter Druck. Es komme daher umso mehr auf das Engagement der Menschen an.