Deutsche Rentenversicherung

Im Porträt:

„Altersvorsorge für alle“

Schnittstelle – dieser Begriff fällt immer wieder, wenn Karl-Sebastian Schulte über seine Arbeit spricht. Dinge miteinander zu verbinden, verschiedene Interessen auszubalancieren und auf diese Weise auch scheinbare Gegensätze miteinander vereinbar zu machen: Das ist seine Aufgabe als Geschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und des Unternehmerverbandes Deutsches Handwerk, und dieser Ansatz prägt auch sein Handeln als Selbstverwalter in der Deutschen Rentenversicherung Bund.

"Die eigenen Dinge selbst in die Hand zu nehmen, gehört zu unserer DNA in unseren Familienbetrieben, unseren Handwerkskammern und Innungen."

Seit der Sozialwahl 2011 vertritt der Endvierziger die Arbeitgeberinteressen im Sozialparlament der Rentenversicherung. Zunächst saß er in der Vertreterversammlung, dann wurde er 2020 in den Vorstand berufen und zusätzlich in den Bundesvorstand, in dem die verschiedenen Rententräger der Bundesrepublik ihre Arbeit koordinieren. „In meiner Tätigkeit für die Spitzenorganisation des Handwerks gehört die soziale Sicherung ebenso wie die Arbeitsmarktpolitik zu meinem Aufgabenfeld. So kam ich zwangsläufig mit der Sozialen Selbstverwaltung in Kontakt“, berichtet er. „Ich hatte viel darüber gehört, ich war neugierig, und ich wollte selbst ausprobieren, wie das funktioniert. Denn die eigenen Dinge selbst in die Hand zu nehmen, gehört zu unserer DNA in unseren Familienbetrieben, unseren Handwerkskammern und Innungen.“

Geboren und aufgewachsen im Sauerland, hatte Schulte zunächst in Passau und dann in Berlin Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Medien- und Kulturmanagement studiert. „Ich interessierte mich schon immer für die Schnittstellen von Wirtschaft und Politik und die Schlüsselrolle von Medien“, erzählt er. Kurz nach dem Umzug von Bundesregierung und Parlament von Bonn nach Berlin stieß er im Jahr 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Unionsfraktion im Bundestag, weil er nach seinen eigenen Worten „hautnah mit dabei sein wollte, wie die Berliner Republik Form annimmt“. Von 2005 bis 2009 leitete er als Geschäftsführer den Parlamentskreis Mittelstand der Fraktion. „Ich habe viel gelernt“, bilanziert er seine damalige Arbeit, „und zwar darüber, nach welchen formalen Regeln Politik funktioniert, aber auch darüber, welche ungeschriebenen Gesetze dort gelten.“

Diese Erfahrungen bringt er nun auch in die Soziale Selbstverwaltung ein. Zum Beispiel in die Diskussionen darüber, ob die Pflicht zur Altersvorsorge nicht nur für Beschäftigte, sondern auch für Unternehmer und Soloselbstständige gelten sollte. Dieses Thema beschäftigt ihn schon seit langem – als Spitzenfunktionär des Handwerks ebenso wie als Selbstverwalter. „Die Entscheidung wird am Ende nicht bei uns liegen, sie wird auf politischer Ebene getroffen werden“, sagt er. „Doch vor der Entscheidung steht die Meinungsbildung, und da bringen wir uns ein.“

Schulte ist ein klarer Befürworter der Altersvorsorgepflicht. „Auch Inhaber von Kleinunternehmen, auch Soloselbstständige müssen abgesichert sein gegen das Risiko von Altersarmut“, sagt er. An dieser Stelle ist er sich als Arbeitgebervertreter auch völlig einig mit den Gewerkschaftsvertretern, die ihm in den Selbstverwaltungsgremien gegenübersitzen. Unterschiedlicher Meinung sind sie, ob statt der gesetzlichen Rentenversicherung etwa auch eine private Rürup-Versicherung dafür in Frage kommen sollte: Schulte ist dafür, andere im Sozialparlament sind eher dagegen. „Also reden wir darüber, tauschen unsere Argumente aus. Und wenn dann Gesetzgeber und Regierung die Entscheidung getroffen haben, dann werden wir sie zusammen umsetzen – vernünftig und im gegenseitigen Einvernehmen.“

Als Schnittstelle begreift Schulte Vertreterversammlung und Vorstand auch noch in einem anderen Sinne: Das Sozialparlament ist für ihn ein Ort, an dem politische Vorhaben darauf abgeklopft werden, ob und wie sie tatsächlich umgesetzt werden können. Denn Entscheidungen müssen nicht nur vereinbar sein mit den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Unternehmer, sie müssen auch im Einklang stehen mit der Leistungsfähigkeit der hauptamtlichen Verwaltung der Rentenversicherung. Als Beispiel nennt er die Einführung einer Grundrente. „Wir dürfen nicht unterschätzen, welchen bürokratischen Aufwand ein solcher Beschluss nach sich zieht und welche Ressourcen er bindet“, sagt er. „Deshalb haben auch wir als Selbstverwaltung gesagt: Wir können nur Schritt für Schritt vorgehen, sonst kriegen wir das nicht hin.“ So kam es zu der Festlegung, dass die Grundrente zwar zum Jahresbeginn 2021 in Kraft tritt, aber erst zur Jahresmitte – und dann rückwirkend – ausgezahlt wird. Ohne Nachteile für die Empfänger der Grundrente, aber mit der Sicherheit, dass dann auch alles klappt.

Worin besteht für Karl-Sebastian Schulte der Mehrwert der Sozialen Selbstverwaltung in Deutschland? „Sie wirkt als Schutzmechanismus“, antwortet er, „sie garantiert eine gewisse Staatsferne der sozialen Sicherungssysteme.“ Selbstverwaltung bewahre die Rentenversicherung ebenso wie die Kranken- oder die Unfallversicherung vor zu großen Eingriffen von außen, vor einer Instrumentalisierung durch Regierung und Gesetzgeber: „Das Modell der Sozialen Selbstverwaltung zwingt in vielen Punkten zu Kompromissen und klugem Interessenausgleich. Wenn Arbeitgeber und Versicherte die gesetzliche Rentenversicherung paritätisch finanzieren, ist es nur konsequent zu sagen: Dann sollen sie auch das Recht haben, sozialpartnerschaftlich die Grundsatzentscheidungen miteinander auszuhandeln.“