Deutsche Rentenversicherung

Krankheit mit Spätfolgen

Beitrag von Brigitte Gross in der FAZ-Beilage "Chancen der Medizin" vom 07.06.2022

Datum: 09.06.2022

„Das Schlimmste waren die Erstickungsanfälle“, erinnert sich Stefan Schneider (Name geändert) an die Akutphase seiner COVID-19-Erkrankung. „Du atmest und atmest, aber es kommt keine Luft - trotz Sauerstoff gerät.“ 14 Tage war er im Krankenhaus – zwölf davon auf der Intensivstation: „Ich wollte einfach nur mein altes Leben zurück.“

Nach zwei Wochen entließen die Ärzte den Familienvater. Doch die Beschwerden hielten auch mehrere Wochen nach der Akutphase an. „Stefan Schneider ist leider kein Einzelfall“, sagt Brigitte Gross Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund). „Die als Post-COVID bezeichnete Langzeitsymptomatik nach einer COVID-19-Erkrankung trifft viele Patientinnen und Patienten.“ Auch wenn die Krankheit nur einen leichten Verlauf nimmt, können bei den betroffenen Menschen dauerhafte Erschöpfung, Müdigkeit, Herzprobleme, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen sowie Luftnot auftreten.

Das gilt ganz besonders für schwere Verläufe wie bei Stefan Schneider: Erst eine Rehabilitation im Reha-Zentrum Utersum der DRV Bund auf der Nordseeinsel Föhr brachte ihn Schritt für Schritt wieder zur alten Form zurück. „Schon die Luftveränderung machte das Atmen einfacher“, erinnert sich der 44-jährige Westfale. Mit Atemtechnik und Ausdauertraining festigte sich sein Zustand.

Psychologische Behandlungen mit Einzelgesprächen und Gruppensitzungen waren für Stefan Schneider ebenfalls wichtig. „Denn auch die Seele leidet“, sagt Brigitte Gross. „Angststörungen und Depressionen sind daher ebenfalls häufi ge Symptome.“

Bei vielen Patientinnen und Patienten ist nicht nur das Privatleben, sondern auch der berufliche Alltag beeinträchtigt. Ist die Erwerbsfähigkeit durch die Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung gefährdet oder bereits eingeschränkt, stellt die medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Genesung dar. Sie hilft Betroff enen dabei, wieder zu Kräften zu kommen und Schritt für Schritt ihr Alltags- und Berufsleben meistern zu können. Behandelt werden mit der Reha ganz gezielt die körperlichen und psychischen Einschränkungen nach einer Corona-Erkrankung. Die Therapie wird hierbei immer auf das individuelle Krankheitsbild zugeschnitten.

Der multimodale Ansatz der Rehabilitation bietet eine ideale Behandlungsform für Post-COVID-Betroff ene. Die Deutsche Rentenversicherung bietet seit Mitte letzten Jahres eine „Post-COVID-Reha“ in speziell ausgerichteten Kliniken an. „Wir in der Rentenversicherung haben den Bedarf an gezielter Hilfe erkannt und sehr schnell auf die Entwicklung reagiert“, sagt Brigitte Gross.

Da die Folgen von Patient zu Patient sehr verschieden sind, gibt es auch nicht nur die eine Post-COVID-Reha. Wenn z. B. das Herz nach Corona nur noch eine eingeschränkte Pumpfunktion hat, setzt die Rehabilitation mit einem dosierten Ausdauertraining an, um etwa das Treppensteigen wieder zu ermöglichen. Depressionen werden in einer psychosomatischen Reha-Einrichtung behandelt. Die Reha orientiert sich damit optimal am jeweiligen Bedarf.

Mit ihrer langjährigen Erfahrung und dem breitgefächerten, bundesweiten Angebot an Reha-Einrichtungen ist die Deutsche Rentenversicherung eine gute Ansprechpartnerin. „Scheuen Sie sich nicht, eine Reha zu beantragen, wenn Sie sich den Anforderungen der Arbeitswelt gesundheitlich nicht mehr gewachsen fühlen“, ermuntert Brigitte Gross die Betroffenen.

Um den Erfolg der Reha-Angebote zu messen und fortlaufend weiterzuentwickeln, evaluiert die Deutsche Rentenversicherung die Post-COVID-Reha. „Unsere bisherigen Forschungsergebnisse zeigen eindeutig einen positiven Trend: Die Reha ist wirksam. Die Beschwerden bessern sich während der Reha“, sagt Brigitte Gross. Erste Studienergebnisse deuten darauf hin, dass das Risiko, an Post- COVID zu erkranken, sinkt, wenn vor der Infektion bereits mindestens zwei Impfungen erfolgt sind. Dies ist angesichts der aktuellen Situation mit immer noch hohen Infektionszahlen eine gute Nachricht, da viele der aktuell an Corona Erkrankten bereits vollständig geimpft sind.

Interview mit Dr. med. Ellen Dreier, Ärztliche Direktorin der Reha-Klinik Lipperland

Die Klinik Lipperland gehört zum Reha-Zentrum Bad Salzuflen. Träger ist die Deutsche Rentenversicherung Bund, die 22 Reha-Zentren in ganz Deutschland betreibt. Hauptindikation der Klinik Lipperland sind psychische und psychosomatische Störungen. Sie verfügt über 166 Betten.

Welche Ursachen stecken hinter Post-COVID?

Derzeit gibt es verschiedene Erklärungsansätze. So existiert die Annahme, dass sich noch Virus-Anteile oder ganze Viren im Körper befinden, die eine andauernde Entzündungsreaktion hervorrufen. Des Weiteren gibt es Patienten, die nach einer Corona- Erkrankung organische Schäden mit langanhaltenden Beschwerden davongetragen haben. Ein weiterer Erklärungsansatz sind Entzündungsprozesse, die ähnlich wie Autoimmunerkrankungen noch fortbestehen können. Für all das gibt es bislang aber noch keine ausreichende Datenlage.

Welche Beschwerdebilder begegnen Ihnen?

Charakteristisch bei den Patientinnen und Patienten in unserer Klinik ist beispielsweise eine Belastungsintoleranz. Betroffene können sich kaum noch anstrengen und leiden unter Konzentrationsstörungen und Muskelschmerzen. Dieses Beschwerdebild tritt auch nach anderen Virusinfektionen auf.

Gibt es den typischen „Post-COVID-Patienten“?

Die Statistiken zeigen, dass das Durchschnittsalter in der Post-COVID-Reha bei 40 bis 50 Jahren liegt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Langzeitfolgen gibt es nicht nur bei Patientinnen und Patienten, die stationär behandelt und beatmet werden mussten, sondern auch bei Personen mit mildem COVID-19-Verlauf.