Deutsche Rentenversicherung

Festakt 125 Jahre Deutsche Rentenversicherung Rheinland

Dr. Sabine Graf, Vorsitzende des Vorstandes

Datum: 17.03.2015

ES GILT DAS GESPROCHENE WORT!

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir feiern heute den 125. Geburtstag der Deutschen Rentenversicherung  Rheinland. Das ist ein guter Tag, um den Beschäftigten zu danken. Denn sie erfüllen unseren Regionalträger mit Leben: Beratung rund um alle Fragen zur Rente. Und das im Sinne der Versicherten. Nicht zu vergessen ist auch die Rehabilitation. In unseren Kliniken wird alles gegeben, damit die Gesundheit wieder in Schwung kommt und wir gesund das Rentenalter erreichen können. Das ist eine Leistung, die wir gar nicht hoch genug einschätzen können! Besonders im letzten Jahr haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch das Rentenpaket eine Menge Mehrleistungen erbringen müssen. Dafür heute von mir meinen ausdrücklichen Dank, ohne die vielen fleißigen Köpfe und Hände hätten die gesetzlichen Neuerungen nicht umgesetzt werden können.

Versicherte und Unternehmen wissen zu schätzen, dass sie im Rheinland auf Ortsnähe in der Beratung und bei der Rehabilitation setzen können. Das ist deswegen bemerkenswert, weil im Zeitalter der Zentralisierung und der Digitalisierung eigentlich andere Kommunikationswege im Vordergrund stehen. Aber die DRV Rheinland  setzt auf das Persönliche, auf das Menschliche. Wer möchte oder vielleicht sogar muss, kann sich in einem der Servicecenter beraten lassen und muss auch nicht wegen einer Rehabilitation durch halb Deutschland reisen. Das nenne ich einen guten Service und damit können wir auch punkten, wir sind ganz nah an den Menschen und auch die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner wollen von diesen Vorzügen Gebrauch machen.
Wir feiern also eine Institution, die ihre Leistungsfähigkeit und ihre Anpassungsfähigkeit seit 125 Jahren täglich aufs Neue beweist.  Jede gesetzliche Veränderung bewirkt ja auch eine Veränderung in der Arbeit und letztlich eine Veränderung der DRV Rheinland selbst. Alle Beteiligten müssen also hoch flexibel sein und haben das in der Vergangenheit  immer wieder bewiesen. Ich nenne hier nur einige wenige große Stationen: zwei Weltkriege, eine Währungsreform, die Wiedervereinigung, die Umstellung auf den Euro und zahlreiche Rentenreformen. Und das unter maßgeblicher Mitwirkung und –gestaltung der Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter mehrerer Generationen.

Sehr verehrte liebe Gäste,

an einem solchen Tag liegt es nahe zurückzublicken und auch einen Blick in die Zukunft zu wagen. Und so möchte ich Sie gerne zurückholen  in das Gründungsjahr der Deutschen Rentenversicherung Rheinland, in das Jahr 1890. Die Provinzialverwaltung der Rheinprovinz hatte ursprünglich ihren Sitz in Köln. Erst durch einen Ministerialerlass vom 20. April 1890 wurde Düsseldorf zur Provinzialhauptstadt bestimmt. Die Hintergründe des Sinneswandels der zuständigen Ministerien in der Reichshauptstadt Berlin sind zwar nicht bekannt. Doch entscheidend ist: Provinzialhauptstadt war von nun an Düsseldorf am Rhein.

Und dieses preußische Rheinland des späten 19. Jahrhunderts, meine sehr geehrten Damen und Herren, reichte vom Niederrhein bis an die Saar mit den Regierungsbezirken Düsseldorf, Aachen, Köln, Koblenz und Trier. Zum Regierungsbezirk Trier gehörte übrigens auch der größte Teil des heutigen Saarlandes. In dieser Gestalt blieb die Rheinprovinz weitestgehend bis zum Zusammenbruch 1945 bestehen. Erst danach wurden durch Dekret der französischen Besatzungsmacht die Regierungsbezirke Koblenz und Trier von der Rheinprovinz abgekoppelt.

Herr Dr. Wohlleben hat im Rahmen seiner Einleitung bereits darauf hingewiesen, dass im Düsseldorfer Ständehaus am 22. Oktober 1890 die erste so genannte „Ausschuss“-Sitzung stattgefunden hat. Die Bezeichnung Ausschuss hatte noch lange Bestand. Es dauerte noch 63  Jahre, ehe im Jahr 1953 die erste Vertreterversammlung ihre Arbeit bei der LVA Rheinprovinz aufnahm. Anfangs waren die Bedeutung und der Status der Selbstverwaltung übrigens gänzlich anders als heute. Bei der Zusammensetzung des damaligen Vorstandes der Düsseldorfer Versicherungsanstalt fällt auf, dass neben drei verbeamteten Mitgliedern und deren drei Stellvertretern lediglich zwei, später immerhin drei ehrenamtliche Vertreter, Berücksichtigung fanden.
Auch der Vorstandsvorsitzende des Jahres 1890, Herr Landesdirektor Dr. Klein, der kein echter Selbstverwalter, sondern ein Beamter war. Immerhin war er zumindest der höchste Beamte der Provinzialverwaltung. Sein Stellvertreter, Landesrat Klausener, hatte den zweithöchsten Rang inne. Landesrat Klausener war auch der Leiter der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz. Das, liebe Gäste, wirft zwangsläufig die Frage auf, was denn die Geschäftsführung seinerzeit für eine Funktion hatte. Die Antwort auf diese Frage ist einfacher als gedacht: Es gab sie schlicht und einfach noch nicht. Eine Geschäftsführung wurde bei der LVA Rheinprovinz erst im Jahr 1953 erstmalig gewählt.

Meine Damen und Herren, verehrte Gäste,

eine weitere Station in der Entwicklung der Rentenversicherung hat Geschichte gemacht und unser Rentensystem bis heute maßgeblich bestimmt. Das Jahr 1957 bringt die wichtigste Reform seit Bestehen der Rentenversicherung: Das Umlageverfahren in seiner heutigen Form wird eingeführt und damit der Generationenvertrag geschlossen. Die Dynamisierung der Renten und damit die Koppelung an die Lohnentwicklung werden beschlossen. Das war ein wichtiger Beitrag zur  Sicherung des Lebensstandards für die Rentnerinnen und Rentner. Außerdem galt ab dem Jahr 1957 das gleiche Rentenrecht für Arbeiter und Angestellte.

Im Mai 1957 zieht die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz um. Zwar nur ein paar Meter weiter, jedoch in ein für damalige Verhältnisse sehr modernes Hochhaus direkt neben dem altehrwürdigen Verwaltungsgebäude, der so genannten „Klebekiste“. In der obersten Etage dieses Hochhauses, das heute als „Altbau“ bezeichnet wird, befinden wir uns jetzt gerade. Bereits 21 Jahre später, im Jahr 1978, stand ein erneuter Umzug für einen großen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an: nämlich in das neue Verwaltungsgebäude, das sich bis heute im Dauerwettbewerb mit der ARAG-Verwaltung um den Titel als höchstes Hochhaus Düsseldorfs befindet.
In den neuen Räumlichkeiten waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann bestens gerüstet für eine der beeindruckendsten Leistungen der Deutschen Rentenversicherung, die umfassende und weitgehend reibungslose Integration des DDR-Rentensystems. Die Einbeziehung  von Millionen weiterer Menschen in das bestehende System der Rentenversicherung ist unbestritten einer der Spitzenleistungen der Rentenversicherung. Und sie war nur dank des 40 Jahre zuvor eingeführten Umlageverfahrens so zügig und unkompliziert möglich. Das, liebe Gäste, wird aus meiner Sicht viel zu selten angemessen gewürdigt und deswegen möchte ich das heute an dieser Stelle ausdrücklich betonen.

In den Jahren 2005 und 2014 wurden wiederum Meilensteine gesetzt.

Viele von Ihnen haben die Organisationsreform der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2005 miterlebt und aktiv mitgestaltet. Nach der Aufhebung der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten und der Angleichung des Rentenrechts für beide Versichertengruppen war die Zusammenführung aller Rentenversicherungsträger unter dem gemeinsamen Dach der Deutschen Rentenversicherung konsequent und längst fällig. Die ehemaligen „Behörden“ wurden zu modernen Dienstleistungsunternehmen weiterentwickelt  erledigten ihre Arbeit trotz der einhergehenden Verschlankung der Verwaltung effektiver und effizienter. Auch hier haben wieder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Riesenleistung erbracht, ohne sie wäre eine solche Umstrukturierung nicht möglich gewesen.

Das Jahr 2014 schließlich - sie alle werden sich gut erinnern – brachte uns eine weitere Rentenreform, das “Rentenpaket“. Mit dieser Reform wird die Rentenkasse besonders durch die Leistung der Anerkennung der Kindererziehungszeiten nachhaltig über Gebühr belastet. Kindererziehung ist ja eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sie soll und muss honoriert werden, allerdings hätte der Gesetzgeber gut daran getan, diese Leistung systemkonform aus Steuermitteln zu generieren.

In Zukunft wird es wohl immer schwieriger werden, ein gutes und sicheres Auskommen durch die gesetzliche Rentenversicherung zu erhalten. Schon jetzt beläuft sich die finanzielle Absicherung auf rund 50%. Bis zum Jahr 2030 soll das Niveau auf 43% absinken.
Wir bekommen in Nordrhein-Westfalen ein massives Rentenproblem, wenn wir nicht zügig und konsequent gegensteuern. Der Trend ist eindeutig: Die Menschen müssen immer länger arbeiten und haben dennoch geringere Rentenansprüche. Es ist absehbar, dass sich dieser Abwärtstrend mit dem demografischen Wandel weiter fortsetzt. Mit durchschnittlich 1.007 Euro im Monat erhält ein nordrhein-westfälischer Mann, der 2013 erstmals Rente bezog, schon 150 Euro weniger als ein Mann, der sich 2013 bereits in Rente befand.

Durchschnittsverdiener werden immer größere Schwierigkeiten haben, ihren gewohnten Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Für Geringverdiener sieht es noch schlechter aus, sie laufen sogar Gefahr, lediglich Rentenansprüche zu erwirtschaften, die unterhalb der staatlichen Grundsicherung liegen. Warum also nicht  die Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber schrittweise von heute 18,7 Prozent auf 22 Prozent im Jahr 2030 anzuheben. Mit dieser moderaten Steigerung könnten weitere Rentenkürzungen ebenso verhindert werden wie eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Wir sollten nichts ausschließen, wir sollten uns keine Denkverbote auferlegen, wenn wir nach einer Lösung für die Stabilisierung der Rente suchen. Denn eines ist klar: Wenn die Talfahrt der Rente sich fortsetzt, dann wird es für alle Menschen ungemütlicher werden. Und die dann entstehende Situation wird den Sozialstaat vor ungeahnte Herausforderungen stellen.

Außerdem ist gut bezahlte, abgesicherte Arbeit der beste Garant gegen Altersarmut. Dort, wo es in NRW eine starke industrielle Basis mit guten Tarifverträgen und anständigen Löhnen gibt, sind die Renten bisher noch in einer anständigen Verfassung. Bei den Frauen ist vor allem der Umfang der Erwerbstätigkeit für die Rentenhöhe entscheidend. Auch hier ist eine Menge zu tun, damit Frauen und Männer einer  Berufstätigkeit nachgehen können und gleichzeitig ein Familienleben gestalten können.
Anlass zur Sorge bereiteten immer noch die Renten, die nicht aus Altersgründen, sondern wegen Krankheit ausgezahlt werden. Die Höhe der sogenannten Erwerbsminderungsrenten befindet sich auf äußerst niedrigem Niveau. So lag die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente von männlichen NRW-Neurentnern 2013 bei gerade einmal 655 Euro monatlich, ein Jahr zuvor waren es noch 101 Euro mehr. Frauen müssen mit 95 Euro weniger auskommen, sie erhielten 2013 nur noch 576 Euro. Hier wurden ja im Rentenpaket Verbesserungen erzielt, aber dies kann nur ein Anfang sein. Problematisch ist vor allem die hohe Anzahl der Menschen, die aufgrund psychischer Erkrankungen in eine vorzeitige Rente gehen müssen. Hier müssen an den Arbeitsplätzen bessere Schutzmechanismen greifen, damit den Menschen solche Krankheitsverläufe erspart bleiben.

Liebe Gäste,
sehr geehrte Damen und Herren,

die große Herausforderung wird darin bestehen, das Rentensystem so zu stabilisieren, das auch kommende Generationen mit einer Lebensstandard sichernden Rente rechnen können. Das können wir von der Politik erwarten und das wird auch eingefordert. Und ich bin mir sicher: Alle Veränderungen und Entwicklungen werden von den Mitarbeiterinnen und  Mitarbeitern hier im Hause und in den Servicezentren sicher auch in Zukunft gestemmt werden.  Das Neue und das Unerwartete kann auch beflügeln und ungeahnte Kräfte wecken. Kräfte, die wir brauchen werden für die Zukunft unserer Rentenversicherung. Die Selbstverwaltung ist sich dabei ihrer Rolle bewusst. In diesem Sinne, so meine ich, sind wir im Rheinland gut aufgestellt.