»Wenn der Pieper losgeht, dann steigt schon die innere Anspannung. Auch nach all den Jahren.«
Quelle:Sascha Lehmkuhl/DRV Westfalen
Jörg Merker in Einsatzkleidung
Piiiieeep. Der schrille Ton ist unüberhörbar, holt einen nachts selbst aus dem Tiefschlaf. Und das soll er auch. Denn das kleine piepende Gerät, kaum größer als eine Zigarettenschachtel, ist ein Funkmeldeempfänger. Jeder Feuerwehrmann, jede Feuerwehrfrau trägt so ein Gerät, immer und überall. Wenn der Pieper losgeht, dann ist Alarm: Feuer, schwerer Unfall, Unglück – all das kann sich hinter dem Signalton verbergen, den die Feuerwehrleitstellen auslösen. So wie für die vier Löschzüge der freiwilligen Feuerwehr in Steinfurt-Borghorst – da, wo Jörg Merker seit seinem 17. Lebensjahr in der Feuerwehr aktiv ist. „Wenn der Pieper losgeht, dann steigt die innere Anspannung, sogar nach all den Jahren noch. Und auch, wenn wir bei den modernen Piepern nur eine knappe Text-Info sehen, ahnen wir, was auf uns zukommt.“ Das Schrillen des Piepers heißt immer Einsatz. Und der kann mitunter sehr gefährlich sein. Denn wenn Feuerwehrleute ausrücken müssen, sind andere Menschen in akuter Gefahr, bangen um Leib und Leben oder um große Sachwerte.
Seit 34 Jahren ist Jörg Merker schon Feuerwehrmann. Ehrenamtlich, genau wie all seine 30 Kameradinnen und Kameraden in seinem Löschzug. Retten – Löschen – Bergen – Schützen. In diese vier einfachen Worte fassen die Feuerwehrleute die riesige Bandbreite ihres Hobbys. Hobby? Ja, genau! Ihr Dienst ist freiwillig und ehrenamtlich. Das macht landauf, landab die freiwilligen Einsatzkräfte aus, ohne die der Brandschutz und die Hilfe bei Unfällen, Unglücken, Katastrophen unvorstellbar wäre. Es ist nicht ihr Beruf, ihre Arbeit indes ist hochprofessionell.
Der eigentliche Beruf von Jörg Merker ist Ausbilder bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Westfalen. Im Unterricht und am Schreibtisch bringt er den Nachwuchskräften bei, wie sie gute Arbeit für die Versicherten, Rentnerinnen, Rentner und Beitragszahlende leisten können. Rente, Reha, Prävention. Auch das ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. „Die beiden Bereiche kann ich gar nicht gegenüberstellen. Das sind völlig andere Welten – außer dass beide mit Verantwortung für andere Menschen zu tun haben“, sagt Merker und schaut am Schreibtisch beiläufig auf seinen Funkmeldeempfänger. Heute bleibt der Pieper still – kein Alarm.
Im Notfall würde er sofort aufstehen und zu seinem Löschzug nach Borghorst eilen. „Zum Glück habe ich einen Arbeitgeber, der dieses Ehrenamt unterstützt – egal, ob für die echten Einsätze oder auch für meine ganzen Fortbildungen. Das ist heutzutage bei etlichen Arbeitgebern nicht mehr so selbstverständlich. Leider!“, sagt Merker, der sich in der Feuerwehr mit vielen Lehrgängen bis hin zum Brandinspektor fortgebildet hat. Inzwischen führt er einen kompletten Löschzug, ist im Wechsel mit anderen Zugführern erster Einsatzleiter vor Ort.
Angefangen hat Jörg Merker als ganz normaler Feuerwehrmann: Brandbekämpfung ganz vorne. Dort, wo es heiß ist. Wo die Flammen schlagen. Wo man vor Qualm fast nichts sieht. Da brauchen Feuerwehrleute viel Mut. „Ja, trotz klasse Ausbildung und der nötigen allergrößten Vorsicht und – wie es bei uns heißt – Eigensicherung. Mut braucht jeder, der da irgendwo rangeht oder sogar in ein Objekt reingeht“, beschreibt Jörg Merker. Aber: Mut dürfe nicht verwechselt werden mit Übermut, gar mit Leichtsinn. Das möchte er gerade als Führungskraft besonders betonen. „Deshalb müssen Feuerwehrleute an ihre Grenzen herangeführt werden. Mut wird gewissermaßen trainiert. Das ist wichtig, damit wir unseren Job machen können und immer wieder gesund nach Hause kommen!“
» Zum Glück habe ich einen Arbeitgeber, der dieses Ehrenamt unterstützt.«
Das gilt nicht nur körperlich. „Gerade bei Verkehrsunfällen können unsere Einsätze die Helfer psychisch stark belasten. Verletzte, Tote an der Einsatzstelle. Auch da müssen junge Feuerwehrleute langsam in den Einsätzen herangeführt werden. Ganz wichtig ist nach den Einsätzen eine gute gemeinsame Aufarbeitung.“ Ein freiwilliger Einsatz, ein Hobby, das an viele persönliche Grenzen gehen kann.
Dennoch: Jörg Merker kann sich kein schöneres Hobby vorstellen: „Es gibt einem auch viel, sich für andere so unmittelbar einzusetzen!“ Genau das war es, was sein Vater ihm als Jugendlichem mit auf den Weg gegeben hatte: „Er sagte mir damals: Tue auch etwas für andere!“ Eine Einstellung, die er heute als Ehemann und Familienvater auch an seine eigenen Kinder weitergibt. „Und die Feuerwehr gibt einem auch vieles. Den Zusammenhalt beispielsweise. Aber auch die ganze Technik, die begeistert“, sagt Merker, der trotz seiner Führungsaufgaben vor einem Jahr noch die nötige Lizenz für das Bedienen der großen 23-Meter-Drehleiter gemacht hat. „Ich will das ja alles auch selbst können, das mit den großen roten Autos“, lächelt Zugführer Merker – während in seinen Augen immer noch die Begeisterung des jungen, einfachen Feuerwehrmannes funkelt.