Nachrichten Winter 2025
Wenn Körper und Psyche gemeinsam Hilfe brauchen
Wer körperlich erkrankt, ist in vielen Fällen auch psychisch belastet. Die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR) stellt genau das in den Fokus und bietet einen gesamtheitlichen Ansatz für Erkrankte.
Eine körperliche Erkrankung ist eine Herausforderung. Sie sorgt für Schmerzen, schränkt die Bewegung ein und hat mitunter langwierige Behandlungen zur Folge. Aber auch darüber hinaus verändert sich das Leben häufig drastisch: Ängste, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen oder Probleme am Arbeitsplatz treten auf. Und das nicht nur in Einzelfällen. Bei rund 20 Prozent der Rehabilitierenden – unabhängig von der Art der Grunderkrankung – treten nach Zahlen der Deutschen Rentenversicherung psychische Störungen auf. Jeder Fünfte hat somit in der Rehabilitation mit psychischen Problemen zu kämpfen, die häufigsten Diagnosen sind depressive Störungen und Angststörungen.
Die Deutsche Rentenversicherung bietet für genau diese Fälle ein spezifisches Programm in einigen ihrer Reha-Einrichtungen an: die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation, abgekürzt VOR. Diese hat zum Ziel, neben den körperlichen auch persönliche und berufliche Faktoren zu berücksichtigen, die zur Entstehung oder Aufrechterhaltung der Erkrankung beitragen. Die Deutsche Rentenversicherung Hessen bietet die VOR in ihren eigenen Reha-Kliniken Kurhessen in Bad Sooden-Allendorf im Bereich Orthopädie und Sonnenblick in Marburg in der Orthopädie und Onkologie für Versicherte an.
Für wen ist eine VOR geeignet?
Die VOR richtet sich an Menschen, die über ihre körperliche Erkrankung hinaus auch psychisch belastet sind. Solche psychischen Belastungen können ganz unterschiedlich aussehen und unterschiedliche Ursachen haben. Die VOR hilft, sich über die eigenen Belastungen auszutauschen. Rehabilitierende lernen, wie sie unangenehme Gefühle oder Schmerzen verändern oder leichter akzeptieren können, finden im Rahmen der Selbstfürsorge heraus, was ihnen guttut, und üben, mit Konflikten umzugehen und Stress zu reduzieren. Nicht geeignet ist eine VOR hingegen für Patientinnen und Patienten, bei denen eine psychische Störung im Vordergrund steht. Sie sollten eine psychosomatische oder psychotherapeutische Rehabilitation in Anspruch nehmen.
Quelle:DRV Hessen
Wie läuft eine VOR ab?
Die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation dauert in der Regel vier Wochen, also eine Woche länger als eine übliche medizinische Reha. Sie findet stationär oder ganztägig ambulant in einer Reha-Klinik statt. Auf Basis eines Gesprächs mit dem Reha-Team, bestehend aus Psychologinnen und Psychologen, Ärztinnen und Ärzten sowie Bewegungstherapeutinnen und -therapeuten, wird ein persönlicher Therapieplan erstellt. Rehabilitierende können auch eigene Ziele einbringen. Das Besondere an der VOR: Einen Großteil des Programms absolvieren die Rehabilitierenden mit den gleichen Patientinnen und Patienten – ihrer so genannten „Bezugsgruppe“, die aus zehn bis zwölf Personen besteht. Auf dem Therapieplan stehen beispielsweise Gruppengespräche, Entspannungstherapie, Ergotherapie, Bewegungstherapie oder auch Einzelgespräche. Auch Musik- und Kunsttherapie oder Angebote zu Schlafstörungen oder Rauchentwöhnung können ein Teil sein.
Wie kann ich eine VOR beantragen?
Wenn Sie sich für eine VOR interessieren, können Sie bei der Beantragung der Reha eine Klinik mit VOR-Angebot als Wunschklinik angeben. Bei der Deutschen Rentenversicherung Hessen sind das die Klinik Sonnenblick in Marburg und die Klinik Kurhessen in Bad Sooden-Allendorf. Auf den Klinik-Websites www.klinik-sonnenblick.de und www.klinik-kurhessen.de finden Sie weitere Informationen zum entsprechenden Angebot.
Zusätzlich können Sie auf dem Portal www.meine-rehabilitation.de nach Kliniken mit VOR-Angebot filtern.
Interview Prof. Dr. Ulf Seifart, Ärztlicher Direktor, über die VOR in der Klinik Sonnenblick
Quelle:DRV Hessen
Wem empfehlen Sie eine VOR?
In unserer Klinik bieten wir die VOR sowohl in der Onkologie – aktuell als einzige Klinik in Deutschland – als auch in der Orthopädie an. Unser VOR-Programm richtet sich in der Orthopädie insbesondere an Patientinnen und
Patienten, die bereits über einen längeren Zeitpunkt unter einer Erkrankung und Schmerzen leiden. Je länger eine Krankheit andauert, umso psychisch belastender ist sie häufig auch. Bei onkologischen Erkrankungen müssen sich Betroffene zudem häufig mit belastenden Themen wie dem Sterben auseinandersetzen. In genau diesen Fällen hilft eine VOR, weil sie über die normale psychologische Betreuung im Rahmen einer Reha hinaus geht.
Welche Therapieformen sind Teil der VOR?
Der zentrale Baustein sind die einzelpsychologischen Gespräche. Gerade in der Onkologie spielen zudem Gruppengespräche eine wichtige Rolle. Wer psychisch sehr belastet ist, neigt dazu, sich zu isolieren. Mit den gemeinsamen Gesprächen fördern wir nicht nur den Austausch untereinander, es geht auch darum, die Menschen aus der sozialen Isolation herauszuholen. Zusätzlich haben wir eine vielseitige Seminarreihe. Fragen wie „Wie entsteht
Schmerz?“ oder „Was ist Schmerz?“ werden hier aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet – zum Beispiel aus Sicht des Physiotherapeuten und der Psychologin. Hinzu kommt eine Reihe weiterer Therapiemöglichkeiten, von Entspannungstherapien über Akupunktur bis hin zur Schmerztherapie.
Wie sind die bisherigen Erfahrungen der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden?
Die VOR zeigt große Erfolge, Depression und Schmerzempfinden werden nachweislich abgebaut. Teilweise kommen die Rehabilitierenden schon mit dem Ziel zu uns, eine VOR zu absolvieren, anderen empfehlen wir es nach den Erstgesprächen vor Ort. Bei Letzteren gibt es manchmal erst noch ein paar Berührungsängste, am Ende bekommen wir aber von allen Seiten bislang sehr positives Feedback.
Interview mit Dr. Heiko Roßband, Ärztlicher Direktor, über die VOR in der Klinik Kurhessen
Quelle:DRV Hessen
Wie sieht ein Tag in der VOR aus?
Das VOR-Konzept ist stark manualisiert. Es entspricht in der Orthopädie einer Mischung aus klassisch orthopädischen Angeboten auf der einen und psychoedukativen Angeboten auf der anderen Seite. In der Praxis stehen für
die Patientinnen und Patienten Bewegungs- und Trainingstherapie als „Aktivtherapie“ in ebenso dosiertem Maß auf dem Behandlungsplan wie psychologische Seminare, Schulungen und Gespräche, insbesondere zu den zentralen Themen Stress und Schmerzbewältigung. Dazwischen liegen passiv regenerative Behandlungselemente wie zum Beispiel zur Entspannung und gerne auch ein wenig „Wellness“.
Welche Vorteile ergeben sich für Rehabilitierende durch die feste Bezugsgruppe?
Bezugsgruppen bieten für die Patientinnen und Patienten einen geschützten Rahmen, der den Austausch über ähnliche Themenbereiche erleichtert. Die Teilnehmenden lernen voneinander und unterstützen sich gegenseitig
in der Reflexion ihrer individuellen Probleme. Das Miteinander erleichtert einen Perspektivwechsel und darüber das Erarbeiten und Lösen aktueller Konflikte. Die Klinik Kurhessen hat eine eigene psychosomatische Abteilung.
Welche Synergien ergeben sich dadurch?
Synergieeffekte erleben wir für unsere Rehabilitierenden aus beiden Abteilungen im Bereich diverser Schulungsangebote, bei der gemeinsamen Teilnahme an Entspannungsverfahren und auch bei einigen Bewegungsaktivitäten. Ein großer Benefit liegt darüber hinaus auch im Erfahrungsaustausch aller Mitarbeitenden aus dem medizinisch-therapeutischen Bereich. Einmal über den Tellerrand geschaut, verändern und erweitern sich Erkenntnisse, Sichtweisen und Verständnis in Richtung einer ganzheitlichen Denkweise. Eine zunehmend indikationsübergreifende Medizin wird auch in Zukunft die Weiterentwicklung unserer Konzepte prägen.
Blätterfunktion
Inhalt des Dossiers
- Vorwort
- Versichertenälteste unterstützen seit 50 Jahren
- Mann der ersten Stunde
- Erwerbsminderungsrenten
- Mehr Geld im Minijob
- Mutterschutz nach Fehlgeburt
- Wenn Körper und Psyche gemeinsam Hilfe brauchen
- Neuste Erkenntnisse aus der Onkologie
- Nachweislich familienfreundlich
- Rente und Reha auf dem Hessentag
- Der Schlüssel zur Selbstständigkeit
- Seminare für Mitarbeitende von Gemeinden und Versicherungsämtern
- Rente nur mit Girokonto
- Beratung in Frankfurt ab Frühjahr im Werfthaus