„Die Rentenversicherung rechnet in den kommenden Jahren mit einem weiter zunehmenden Reha-Bedarf und einer steigenden Reha-Inanspruchnahme“, betont Dr. Axel Reimann, Direktor bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, anlässlich des 21. „Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquiums“ in Hamburg.
Ursächlich hierfür sei, dass die „Baby-Boomer“ nun verstärkt in ein Alter kämen, in dem Reha-Bedarf aufträte. Zudem bedeute der Einstieg in die „Rente mit 67“, dass sich die Erwerbsphase verlängere und auch deswegen der Reha-Bedarf zunähme. Die Zahl der zu bewilligenden Leistungen habe deutlich zugenommen, von 2005 auf 2010 bei der medizinischen Rehabilitation um 21 Prozent und bei der beruflichen Rehabilitation um 30 Prozent. Der Anstieg der Reha-Zahlen habe entsprechend steigende Kosten zur Folge.
Problematisch sei deshalb die Deckelung des Reha-Budgets: Bei steigendem Reha-Bedarf reichten die Mittel für Reha-Leistungen bisher nur deshalb aus, weil sie effizient eingesetzt und konsequente Anstrengungen zur Ausgabenbegrenzung eingehalten würden. Der geltende Anpassungsmodus berücksichtige lediglich die Lohn- und Gehaltsentwicklung, strukturelle Änderungen blieben hingegen unberücksichtigt. Daher habe die Rentenversicherung in den aktuellen „Regierungsdialog Rente“ den Vorschlag eingebracht, dass bei der Anpassung des Reha-Budgets auch die demografische Entwicklung sowie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit berücksichtigt werden sollten, so Reimann.
„Die sozialmedizinische und berufliche Situation der Rehabilitanden hat sich in den vergangenen 30 Jahren dramatisch verändert“, berichtete anschließend Dr. Dietrich Olbrich, Ärztlicher Direktor des Rehabilitationszentrums Bad Salzuflen der Deutschen Rentenversicherung Bund. Verantwortlich seien Veränderungen in Arbeitswelt und Gesellschaft. Starker Erfolgs- und Zeitdruck, ständige Erreichbarkeit und fehlender Ausgleich in der Freizeit würden für die psychische Beanspruchung von Führungskräften verantwortlich gemacht. Bei anderen Rehabilitanden stünden vermehrt private Belastungen und Probleme, Konflikte mit Vorgesetzten und Kollegen, Zeitdruck und Arbeitsverdichtung als ursächliche Faktoren für psychische Erkrankungen ganz oben. Um diesen Veränderungen zu begegnen, bedürfe es differenzierter Behandlungsangebote der Kliniken mit besonderem Fokus auf beruflicher Orientierung. Wichtig sei dabei die Vernetzung der Reha-Zentren in der Region mit Betrieben, Betriebsärzten und Beschäftigten, so Olbrich.
Hier sieht Dr. Ingrid Künzler, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Rentenversicherung Nord, die Rentenversicherungsträger in besonderer Verantwortung. Diese müssten geeignete Strukturen schaffen, die einen nachhaltigen Rehabilitationserfolg ermöglichen. Eine solche Strukturverantwortung bedeute nicht nur, dass genügend qualifizierte Reha-Einrichtungen zur Verfügung ständen, sondern auch den Aufbau eines differenzierten Versorgungsnetzes, in dem die unterschiedlichen am Reha-Prozess beteiligten Akteure zusammenwirkten. Daher setze sich die Deutsche Rentenversicherung Nord dafür ein, behandelnde Ärzte und Betriebsärzte als Partner zu gewinnen, um den Reha-Bedarf früh zu erkennen und Reha-Leistungen rechtzeitig einzuleiten. Deshalb sei im Sommer 2011 von der Deutschen Rentenversicherung Nord eine Vereinbarung mit dem Verband der Deutschen Betriebs- und Werksärzte zur besseren Einbindung der Betriebsärzte in den Rehabilitationsprozess unterzeichnet worden. Auf dieser Grundlage gelte es, flexible individuelle Angebote für Rehabilitanden zu entwickeln. Eine wirksame Rehabilitation bedürfe zudem einer verstetigten und gut vernetzten Reha-Forschung. Die Deutsche Rentenversicherung Nord habe sich daher bereits 1989 an der Gründung und Finanzierung des Instituts für Sozialmedizin an der Universität Lübeck beteiligt und so einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Forschung und Lehre im Bereich Sozialmedizin und Reha-Wissenschaft geleistet. Mit dem Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein e.V. (vffr) hätte sie eine nachhaltige Forschungsinfrastruktur in der Form eines Verbunds von Reha-Trägern, Reha-Kliniken, Hochschulen und Ärzteorganisationen geschaffen, berichtete Künzler abschließend.
Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Universität Hamburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW), unterstrich die hervorgehobene Bedeutung des rehabilitationswissenschaftlichen Verbundforschungsprogramms des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Rentenversicherung für die Weiterentwicklung der Rehabilitationsforschung. Zentrale Ziele der Förderung der Rehabilitationswissenschaften seien die Verbesserung der Qualität der Rehabilitationsforschung, die Erarbeitung transferierbaren Wissens zur Verbesserung der rehabilitativen Versorgung sowie eine langfristige Etablierung regionaler Kompetenznetzwerke unter Einbeziehung von Universitäten, Reha-Einrichtungen und Reha-Trägern. Die im Rahmen von Förderprogrammen bearbeiteten Projekte deckten dabei ein breites inhaltliches Spektrum rehabilitationsbezogener Fragestellungen ab und berücksichtigten sämtliche rehabilitative Indikationen. Diese Vorhaben lieferten wichtige Erkenntnisse, etwa im Bezug auf die Verbesserung der Qualitätssicherung, die Gestaltung der Patientenschulung, die Weiterentwicklung der Diagnostik oder die längerfristige Wirksamkeit von Rehabilitationsprogrammen. Da die Rehabilitation bei den sich verändernden gesellschaftlichen wie gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen unter einem permanenten Weiterentwicklungsdruck stehe, sei sie mehr denn je auf sehr gute Forschung angewiesen, so Koch abschließend.