Rentenanpassung
zum 1. Juli 2022
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hatte bereits im März 2022 die Zahlen zur bevorstehenden Rentenanpassung veröffentlicht. In einer Pressemitteilung hieß es u. a.:
„Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung Bund steigt die Rente zum 1. Juli 2022 in Westdeutschland deutlich um 5,35 Prozent und in den neuen Ländern um 6,12 Prozent. Damit ergibt sich eine Anhebung des aktuellen Rentenwertes von gegenwärtig 34,19 EUR auf 36,02 EUR und des Rentenwertes (Ost) von gegenwärtig 33,47 EUR auf 35,52 EUR. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Wiedereinsetzung des Nachholfaktors ist hierbei berücksichtigt.“
Die Höhe der Rentenanpassung wird in der Regel von der Bundesregierung in einer Verordnung festgelegt und bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Im Jahr 2022 wird die Rentenanpassung ausnahmsweise per Gesetz geregelt, da gleichzeitig Änderungen an ihrer Berechnungsweise vorgenommen werden.
Am 13. April 2022 hat daher das Bundeskabinett den Entwurf eines „Gesetzes zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand (Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz)“ beschlossen. Vorbehaltlich des Fortgangs des weiteren Gesetzgebungsverfahrens samt anschließender Verabschiedung und Verkündung im Bundesgesetzblatt gelten ab dem 1. Juli 2022 folgende Rentenwerte:
Aktueller Rentenwert (West) 36,02 EUR (bisher 34,19 EUR)
Aktueller Rentenwert (Ost) 35,52 EUR (bisher 33,47 EUR)
Im Rahmen der Anpassung wird eine wichtige Vereinbarung des Koalitionsvertrages umgesetzt: Das Wiedereinsetzen des Nachholfaktors sorgt dafür, dass die nicht vorgenommene Rentenminderung des vergangenen Jahres mit der Rentenerhöhung verrechnet wird und damit die Rentenanpassung der tatsächlichen Lohnentwicklung folgt.
In diesem Zusammenhang wird auch ein statistischer Revisionseffekt bereinigt, durch den im vergangenen Jahr die rentenanpassungsrelevante Lohnentwicklung um etwa zwei Prozentpunkte zu gering ausgefallen war, was sich aufgrund der Rentengarantie aber nicht auf die Höhe der Renten ausgewirkt hatte. Damit passt auch das Sicherungsniveau vor Steuern (so genanntes Rentenniveau) wieder zur Haltelinie von 48 Prozent. Im Ergebnis ergibt sich so ein Ausgleichsbedarf in Höhe von - 1,17 Prozent (siehe Tabelle: „Ausgleichsfaktor“), der mit der diesjährigen Rentenanpassung abgebaut wird.
Grundlage der Rentenanpassung ist die Lohnentwicklung. Die für die Rentenanpassung 2022 relevante Lohnsteigerung beträgt 5,8 Prozent in den alten und rund 5,3 Prozent in den neuen Ländern. Sie basiert auf der vom Statistischen Bundesamt gemeldeten Lohnentwicklung nach den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR). Darüber hinaus wird die beitragspflichtige Entgeltentwicklung der Versicherten berücksichtigt, die für die Einnahmensituation der gesetzlichen Rentenversicherung entscheidend ist. Sie hat in diesem Jahr eine deutlich positive Wirkung, weil auch Zeiten der Kurzarbeit verbeitragt werden.
Neben der Lohnentwicklung wird durch den Nachhaltigkeitsfaktor die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentenbeziehenden zu Beitragszahlenden bei der Anpassung der Renten berücksichtigt. In diesem Jahr wirkt sich der Nachhaltigkeitsfaktor mit + 0,76 Prozentpunkten positiv auf die Rentenanpassung aus. Davon entfallen etwa 0,6 Prozentpunkte auf die gesetzliche Neureglung, die die überzeichnete Dämpfungswirkung des Jahres 2021 kompensiert.
Bei der Rentenanpassung für die neuen Bundesländer sind die im „Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz“ (siehe Fachliche Information 04/2017) festgelegten Angleichungsschritte relevant. Der aktuelle Rentenwert (Ost) steigt damit entsprechend der gesetzlichen Angleichungsstufe auf 98,6 Prozent des Westwertes (bisher: 97,9 Prozent). Mit dieser Angleichungsstufe fällt die Rentenanpassung Ost höher aus als nach der tatsächlichen Lohnentwicklung Ost.
Letztlich ergibt sich eine voraussichtliche Rentenanpassung von 5,35 Prozent in den alten und 6,12 Prozent in den neuen Ländern (Rundungsdifferenzen möglich).
Bei der Rentenanpassung wird seit 2019 die Niveauschutzklausel geprüft. So wird sichergestellt, dass in der Zeit bis zum 1. Juli 2025 das Rentenniveau von 48 Prozent nicht unterschritten wird. Das Rentenniveau stellt die Relation zwischen der Höhe der Standardrente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines Durchschnittsverdienstes) und dem Entgelt eines Durchschnittsverdieners dar. Maßgebend ist das Netto-Rentenniveau vor Steuern. Dabei werden von der Standardrente die darauf entfallenden Sozialabgaben (KV und PV) abgezogen. Vom Durchschnittsverdienst werden ebenfalls die darauf entfallenden durchschnittlichen Sozialabgaben (KV, PV, RV und AloV) sowie zusätzlich der durchschnittliche Aufwand zur zusätzlichen privaten Altersvorsorge abgezogen. Steuern bleiben jeweils außer Betracht. Das Rentenniveau beträgt 48,14 Prozent. Damit wird das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent eingehalten. Die Niveauschutzklausel kommt somit nicht zur Anwendung.
Der Versand der Rentenanpassungsmitteilungen durch den Renten Service der Deutschen Post AG ist wie folgt vorgesehen:
- Vorschüssige Zahlungen vom 7. Juni bis 27. Juni 2022
- Nachschüssige Zahlungen mit Beitragszuschuss vom 20. Juni bis 27. Juni 2022
- Nachschüssige Zahlungen ohne Beitragszuschuss vom 6. Juli bis 27. Juli 2022
Die Deutsche Rentenversicherung beantwortet wichtige Fragen zur bevorstehenden Rentenanpassung (Anlage 1).
Mit dem Entwurf des „Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes“ ist auch beabsichtigt, Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Bestand umzusetzen. Lesen Sie dazu mehr im weiteren Verlauf dieser Fachlichen Information.
Einkommensanrechnung bei Hinterbliebenenrenten
Freibeträge West ab dem 1. Juli 2022
Vorbehaltlich der Verabschiedung des „Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes“ geben wir Ihnen bereits an dieser Stelle die neuen Freibeträge West im Rahmen der Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes bekannt:
Ab dem 1. Juli 2022 können Witwen, Witwer und überlebende Lebenspartner neben ihrer Hinterbliebenenrente mehr hinzuverdienen. Der Freibetrag beträgt dann 950,93 EUR (bisher 902,62 EUR). Für jedes (waisenrentenberechtigte) Kind des Berechtigten gilt künftig ein Erhöhungsbetrag von 201,71 EUR (bisher 191,46 EUR).
Bitte beachten Sie: Die Einkommensanrechnung bei Waisenrenten für volljährige Waisen ist durch das „Fünfte Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze“ bereits zum 1. Juli 2015 entfallen.
Verzicht auf Versicherungsfreiheit ab Erreichen der Regelaltersgrenze
Hinweise zu nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegepersonen im Altersrentenbezug
Mit Inkrafttreten des „Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben“ (Flexirentengesetz) zum 1. Januar 2017 besteht Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung erst dann, wenn neben dem Bezug einer Vollrente wegen Alters auch die Regelaltersgrenze erreicht wird. Die Neuregelung hat zur Folge, dass z.B. berufstätige Altersvollrentner auch vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze noch der Rentenversicherungspflicht unterliegen und durch Beitragszahlungen ihre Rentenansprüche zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze erhöhen. Dies gilt auch für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, weshalb die Pflegekasse für einen vorzeitigen Altersrentner bis zum Regelalter auch Beiträge zur gesetzlichen RV für Pflegepersonen zu zahlen hat. Aus diesen Beiträgen entstehen Zuschlagsentgeltpunkte ab Erreichen der Regelaltersgrenze.
Doch auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze können Altersrentner weiterhin ihre Rentenansprüche aufbessern:
Wird zum Rentenbeginn lediglich eine flexible Teilrente von zum Beispiel 99 Prozent beantragt oder die Umwandlung einer bestehenden Altersvollrente in eine 99 Prozent Teilrente gewünscht, so verändert sich die beitragsrechtliche Beurteilung möglicher, aus Sicht der Rentenversicherung relevanter Tätigkeiten (z.B. Erwerbstätigkeit oder auch nicht erwerbsmäßige Pflegetätigkeit). Dies hat zur Folge, dass der Rentner auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze beitragspflichtig ist und somit auch seine Rentenansprüche zum 1. Juli des jeweiligen Folgejahres im Rahmen der Rentenanpassung (Zusatzentgeltpunkte 76d SGB VI) erhöht.
Für pflegende Angehörige kann sich der Bezug einer 99 Prozent Teilrente und der damit einhergehende Verzicht auf die Versicherungsfreiheit lohnen. Im Gegensatz zur Erwerbstätigkeit zahlt der pflegende Rentner bei der nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit keinerlei Rentenversicherungsbeiträge. Diese übernimmt die Pflegekasse des Pflegebedürftigen, sofern die Voraussetzungen nach § 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI erfüllt sind.
Übt der Altersvollrentner dagegen eine Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze aus, so bedarf es keines zwingenden Wechsels zu einer 99 Prozent Teilrente, um in den Genuss der Versicherungspflicht zu kommen. Nach § 5 Abs. 4 S. 2 SGB VI können Altersvollrentner durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber auf die Versicherungsfreiheit verzichten. Die gezahlten Beiträge wirken sich in der Folge ebenfalls rentensteigernd aus.
Änderungen im SGB II / XII
Bundesversorgungsgesetz zum „Erleichterten Zugang“
Bereits in der Fachlichen Information 04/2020 (TOP 6) haben wir über die Verlängerung der erleichterten Zugangsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (SGB XII) berichtet.
Das Bundeskabinett hat nun mit der „Zweiten Vereinfachter-Zugang-Verlängerungsverordnung“ eine weitere Verlängerung der Regelungen bis zum 31. Dezember 2022 beschlossen. Die Verordnung wurde mit Bundesgesetzblatt Teil I Nr. 9/2022 vom 17. März 2022 verkündet.
Demnach wurden u.a. die nachfolgenden Regelungen verlängert:
- eine befristete Aussetzung der Berücksichtigung von Vermögen,
- eine befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung als angemessen und
- eine Erleichterung bei der Berücksichtigung von Einkommen in Fällen einer vorläufigen Entscheidung.
Verbesserungen für
EM-Bestandsrenten
Entwurf eines „Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetzes“
Die Regelungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente wurden in der Vergangenheit wiederholt angepasst. Deutliche Verbesserungen gab es insbesondere ab Juli 2014 und ab Januar 2019, allerdings nur für Rentenneuzugänge (Verlängerung der Zurechnungszeit). Diejenigen, die bereits zu diesen Zeitpunkten eine Erwerbsminderungsrente bezogen hatten, wurden nicht erreicht.
Zum Hintergrund: Durch die so genannte Zurechnungszeit (§§ 59, 253a SGB VI) werden Bezieher einer Rente wegen Erwerbsminderung so gestellt, als hätten sie bis zu ihrer Regelaltersgrenze Beiträge gezahlt. Die Zurechnungszeit, die mit dem Eintritt der Erwerbsminderung beginnt, wird mit einem Durchschnittswert der zurückgelegten Versicherungszeiten bewertet.
Die Zurechnungszeit ist zuletzt durch das „RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz“ verlängert worden, und zwar für Rentenzugänge im Jahr 2019 in einem Schritt auf das Alter von 65 Jahren und acht Monaten. Das Gesetz sieht in den Folgejahren - in Anlehnung an die Anhebung der Regelaltersgrenze - eine schrittweise Anhebung auf das vollendete 67. Lebensjahr vor. Bei Beginn einer Erwerbsminderungsrente im Jahr 2022 endet die Zurechnungszeit mit 65 Jahren und elf Monaten. Die Zurechnungszeit und deren Verlängerung gilt auch für die Renten wegen Todes.
Eine Übertragung der Neuregelung zum verlängerten Ende der Zurechnungszeit auf Rentenbestandsfälle vor 2019 sah das Gesetz nicht vor!
Am 13. April 2022 hat das Bundeskabinett daher den Entwurf eines „Gesetzes zur Rentenanpassung 2022 und zur Verbesserung von Leistungen für den Erwerbsminderungsrentenbestand (Rentenanpassungs- und Erwerbsminderungsrenten-Bestandsverbesserungsgesetz)“ beschlossen. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, auch für diesen Personenkreis die Erwerbsminderungsrenten zu erhöhen. Von der Neuregelung sollen alle profitieren, deren Erwerbsminderungsrente in der Zeit von 2001 bis 2018 begonnen hat. Auch für Folgerenten sowie Hinterbliebenen- und Erziehungsrenten sind Regelungen vorgesehen.
Einen pauschalen Zuschlag zur Rente sollen diejenigen erhalten, bei denen die Erwerbsminderungsrente in der Zeit von 2001 bis 2018 begonnen hat. War der Beginn der Rente in der Zeit von Januar 2001 bis Juni 2014, so soll der Zuschlag 7,5 Prozent betragen. Liegt der Rentenbeginn in der Zeit von Juli 2014 bis Dezember 2018, gibt es einen Zuschlag in Höhe von 4,5 Prozent. Der Zuschlag wird auf Grundlage der persönlichen Entgeltpunkte berechnet.
Die Neuregelungen sollen am 1. Juli 2024 in Kraft treten. Wer zu diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine der betroffenen Renten hat, soll den erwähnten Zuschlag zur Rente erhalten.
Bitte beachten Sie:
Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bleibt zunächst abzuwarten. Änderungen zu den geplanten Vorhaben sind nicht ausgeschlossen.
Digitale Rentenübersicht
Informationen für Vorsorgeeinrichtungen bereitgestellt
Die im vergangenen Jahr beschlossene Einführung der so genannten Digitalen Rentenübersicht soll für mehr Transparenz in der Alterssicherung sorgen. Sie wird künftig Informationen über die Ansprüche aus der gesetzlichen, der betrieblichen und der privaten Alterssicherung bündeln und zentral in einem kostenfreien, zurzeit im Aufbau befindlichen Online-Portal abbilden. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Angebot, das die bereits heute zur Verfügung stehenden Informationen und Standmitteilungen ergänzt. Es ersetzt u. a. nicht die Renteninformation der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Digitale Rentenübersicht wird in mehreren Schritten durch die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht entwickelt. Diese ist bei der DRV Bund eingerichtet und steht unter der Rechtsaufsicht des BMAS.
Ab Herbst / Winter 2022 ist eine „erste Betriebsphase“ mit mehreren Vorsorgeeinrichtungen und freiwilligen Teilnehmern vorgesehen. Dazu hat die Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht jüngst eine Internetseite eingerichtet, um fachliche und technische Informationen für Vorsorgeeinrichtungen zur Anbindung an die Zentrale Stelle zur Verfügung zu stellen:
Zentrale Stelle für die Digitale Rentenübersicht
Nach der ersten Betriebsphase legt die Bundesregierung anschließend einen Stichtag fest, ab dem alle Versorgungseinrichtungen, die zum jährlichen Versand von Renteninformationen oder Standmitteilungen verpflichtet sind, obligatorisch angebunden werden. Das soll voraussichtlich im nächsten Jahr der Fall sein.