Utersum (Föhr). Bei Stefan Büttgenbach aus Frechen bei Köln begann es mit „ganz normalen“ Erkältungssymptomen. Aber die vermeintliche Erkältung, die sich der 44-jährige an Weihnachten 2020 eingefangen hatte, „wurde immer schlimmer, so dass ich kaum noch Luft bekommen habe“, wie Büttgenbach berichtet. Hinzu kam starkes Fieber, so dass ihn gleich nach Weihnachten sein Hausarzt ins Krankenhaus einwies. Der in der Notaufnahme vorgenommene PCR-Test brachte das eindeutige Ergebnis: Stefan Büttgenbach hatte sich mit dem Coronavirus infiziert.
Die Infektion löste eine schwere Lungenentzündung aus; es kam auch zu einer Lungenembolie. Nach zwei Wochen waren die akuten Symptome abgeklungen, aber Büttgenbach war auch zu Hause noch auf zusätzliche Sauerstoffzufuhr angewiesen. Die Kurzatmigkeit war so stark, dass er es erst nach zehn Tagen schaffte, wieder Treppen zu steigen und bis dahin im Erdgeschoss schlafen musste.
Da seine Belastungsfähigkeit weiterhin stark eingeschränkt blieb, riet Büttgenbachs Lungenfacharzt zu einer Reha. Bei Stefan Büttgenbach stieß das auf offene Ohren: „Ich dachte: Ich lasse alles auf mich zukommen und sehe, ob es mich weiterbringt.“
Seine Reha begann im April 2021 im Reha-Zentrum Utersum der Deutschen Rentenversicherung Bund auf der nordfriesischen Insel Föhr.
Sein Fazit nach fünf Wochen: „Ich bin in der Reha super behandelt worden.“ In der Zeit, die Büttgenbach auf Föhr verbrachte, standen vor allem Atemphysiotherapie, Ausdauertraining, Haltungstraining, psychologische Behandlung und Gruppentherapie im Mittelpunkt – natürlich neben vielen Spaziergängen am Meer. „Auch der seelische Aufbau“, wie Büttgenbach sagt, „war mir als eines der Reha-Ziele sehr wichtig.“
Bei der Einlieferung ins Krankenhaus, als er an den akuten Symptomen litt und sich sein Zustand rapide verschlechterte, war seiner Familie gesagt worden, man wisse nicht, ob er die Klinik wieder lebend verlassen würde. Das hat Spuren hinterlassen: Die Grenzerfahrung, lebensbedrohlich erkrankt zu sein, wirkt immer noch in Form von Ängsten und Panikattacken nach. Auch Erschöpfungszustände und Antriebslosigkeit gehören zu den Symptomen, die Büttgenbach in der Reha angehen konnte: „Mein Leben hatte plötzlich wieder Struktur“, sagt: „Hier ist der Tag durchgeplant, und das ist ganz wichtig, um aus dem Sich-hängen-Lassen herauszukommen.“
Dass die psychischen Folgen der COVID-19-Erkrankung ebenso wie die körperlichen Auswirkungen in der Reha behandelt wurden, hat Büttgenbach nach seiner eigenen Einschätzung sehr geholfen. „Das Zusammenspiel der Ärzte und der Psycho- und Physiotherapeuten hat sehr gut funktioniert. Man konnte sich jederzeit einen Arzttermin geben lassen, und auch die Therapeuten waren immer ansprechbar und sind immer auf einen eingegangen.“
Die Vielzahl der speziell auf seinen Fall zugeschnittenen Anwendungen wie Gerätetraining, Ergometertraining, Atemtraining, Haltungstraining und Outdoor-Sport erfüllte von Anfang an seine Erwartung: „Bei einer Reha ist es ja nicht wie im Urlaub – es ist wirklich harte Arbeit.“ Der Erfolg der Mühe: Zu Beginn der Reha hatte Büttgenbach ein Lungenvolumen von 60 Prozent – am Ende lag es bei 88 Prozent. „Das war für mich mental ein Meilenstein, denn mit so einem Wert kann ich gut leben.“
Die Reha und die anschließende Nachsorge mit dem IRENA-Programm haben auch bewirkt, dass der immer wieder nach hinten geschobene Wiedereinstieg in den Beruf nun ganz konkret wird. Büttgenbach beginnt, in Absprache mit seinem betreuenden Hausarzt, im August wieder in seinem alten Job im Vertrieb von Reisemobilen und Wohnwagen – zunächst natürlich noch mit reduzierter Arbeitszeit.
Dr. med. Wolfgang Scherer, der ärztliche Direktor des Reha-Zentrums Utersum und Leiter der Pneumologie, hat inzwischen eine ganze Reihe von Post-COVID-Patienten behandelt, denen es ähnlich ergangen ist wie Stefan Büttgenbach: „Viele Patienten klagen über Luftnot und ein heftiges Druckgefühl in der Brust. Hinzu kommen bei vielen Konzentrations- und Gedächtnisstörungen und ein sehr ausgeprägtes Fatigue-Syndrom.“ Aber auch die psychologischen Folgen der Akuterkrankung sind Teil des Krankheitsbildes, so Scherer: „Auf der Intensivstation zu liegen und beatmet zu werden – das ist ein dramatisches Geschehen, das Todesangst auslöst.“
Die sehr unterschiedlichen Krankheitsverläufe der Post-COVID-Patienten – von leichten Symptomen, die zu Hause auskuriert werden konnten, bis hin zur künstlichen Beatmung (ECMO) und wochenlangem künstlichem Koma – machen es notwendig, die Planung der Reha-Maßnahmen sehr genau auf den individuellen Fall abzustimmen: „Im Aufnahmegespräch mit dem Patienten ein Gefühl dafür zu bekommen: Was können sie, was können sie nicht – das ist ganz zentral. Erst recht, weil es bei ,Long COVID’ in vielen Fällen nur einen unklaren Befund gibt. Es kommt vor, dass uns die kardiologische und pneumologische Funktionsdiagnostik Normalbefunde zeigt und die Leute dennoch schwere Luftnot empfinden.“
Grundlage der Therapie ist ein individuell abgestimmtes und im Verlauf der Reha angepasstes moderates Ausdauertraining, Bewegungstherapie in Gruppen, Atemphysiotherapie, Haltungstraining, Gerätetraining (Kraftausdauer), Wassergymnastik, Entspannungsangebote, eine psychologisch und ärztlich geleitete Post-COVID-Gruppe, individuelle psychologisches, gesundheitspädagogische, physiotherapeutische und ärztliche Beratung. Ständiger Ansprechpartner rund um die Uhr für (gesundheitliche) Probleme ist der Pflegedienst. Wesentlichen Beitrag zur Besserung der Funktionsstörungen im Bereich der Lunge und Atemwege leistet neben der Atemphysiotherapie in der Gruppe die individuelle Behandlung in der Einzeltherapie.
Je nachdem, wo die wichtigsten funktionellen Probleme für den Patienten liegen, kommen Angebote zur Stressbewältigung, Behebung von Schlafstörungen, Gewichtreduktion, Anti-Raucher-Training, Konzentrationstraining, Polyneuropathietraining, Ergotherapie, Gedächtnistraining, Riechtraining und individuelle Sozialberatung zum Grundprogramm der Reha hinzu; ebenso freie Angebote, die vor allem der Entspannung und dem Wohlempfinden dienen, wie etwa Yoga, Pilates, Bauch/Beine/Po, Singen, Strandgymnastik, Trommeln und vieles mehr.
So sehr die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten die Patienten in ihrem Heilungsprozess auch voranbringen; eines sollte klar sein, wie Scherer sagt: „Wir erreichen eine Verbesserung, keine vollständige Heilung.“ Dazu trägt auch der Standort des Reha-Zentrums in einem Reinluftgebiet direkt am Meer bei. „Wir machen hier zwar keine Klimakur“, sagt Scherer, „das Klima bietet den Patienten aber schon eine Eintrittskarte in die Trainingstherapie bei optimalen Bedingungen. Sie sagen, dass ihnen lange Spaziergänge und Fahrradfahren wirklich helfen. Und das ermöglicht uns, die Patienten effektiver zu trainieren und eine möglichst selbständige Fortführung zu erreichen.“
Für einen Großteil der Rehabilitanden steht nach Beendigung der Reha eine stufenweise Wiedereingliederung an – das ist, soweit eben möglich, ein wichtiges Ziel der Reha, wie Wolfgang Scherer zusammenfasst: „Wir stellen hier die Weichen für die weitere Berufstätigkeit.“ Long COVID wird im Reha-Zentrum Utersum auf Föhr nach einem individuellen und ganzheitlichen Post-COVID Reha-Konzept behandelt, in das die Behandlung der Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung mit einbezogen sind.
Im Reha-Zentrum gibt es 190 Plätze, alle in Einzelzimmern. Behandelt werden in Utersum außerdem Menschen mit Erkrankungen der Atemwege bzw. der Lunge wie Asthma, COPD, seltenere Lungenerkrankungen (Lungenfibrose, Sarkoidose) und Lungenkrebs und Menschen mit Brustkrebs, Unterleibskrebs und gutartigen gynäkologischen Erkrankungen. Das Reha-Zentrum verfügt über zahlreiche diagnostische Möglichkeiten bis hin zur Spiroergometrie, so dass auch internistische Begleiterkrankungen interdisziplinär mitbehandelt werden können.
Das Reha-Zentrum Utersum liegt im Südwesten der Nordseeinsel Föhr, umgeben von einem Park, in unmittelbarer Strandnähe. Auf der 82 km2 großen Nordseeinsel Föhr mitten im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer gibt es neben dem Hauptort Wyk elf weitere Ortschaften, darunter Utersum. Das 600 Jahre alte Utersum, das kleinste staatlich anerkannte Nordseebad auf Föhr, zeichnet sich mit seinen vielen typischen Reetdachhäusern im alten Ortskern mit besonderer friesischer Gemütlichkeit und einer entspannten Atmosphäre aus. Vom Sandstrand aus, der sich von Utersum aus 15 Kilometer lang entlang der Küste erstreckt, kann man einen Blick auf die beiden Nachbarinseln Amrum und Sylt werfen.
Die Reha-Kliniken der Deutschen Rentenversicherung haben vielfältige Behandlungsmöglichkeiten und bieten neue Chancen nach der Post-COVID-Erkrankung. Da das Post-COVID-Syndrom eine Vielzahl an Krankheitsbildern vereint, setzen die Reha-Kliniken auf interdisziplinäre Therapieangebote. Im Zentrum stehen dabei Atemtherapien kombiniert mit Ausdauer-, Bewegungs- und Krafttraining, Kreativ- und Ergotherapie, Psychotherapie sowie Gedächtnistraining. Der Behandlungsplan wird hierbei auf das individuelle Krankheitsbild zugeschnitten. In den Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung gelten individuelle Hygienekonzepte, die eine sichere Rehabilitation ermöglichen. Alle Informationen und Antragsformulare für eine medizinische Rehabilitation oder eine Anschlussrehabilitation gibt es auf www.deutsche-rentenversicherung.de unter dem Menüpunkt Reha. Gerne hilft auch das Team des Service-Telefons unter der kostenlosen Nummer 0800 1000 4800 weiter.