Regelmäßig wird in Veröffentlichungen behauptet, dass Neurentnerinnen und Neurentner geringere Bezüge bekämen als Bestandsrentnerinnen und Bestandsrentner: Seniorinnen und Senioren, die jetzt in die Rente gingen, schnitten mit ihren Bezügen schlechter ab als Rentnerinnen und Rentner, die bereits länger Leistungen aus der Rentenversicherung erhielten.
Fakt: Tatsache ist vor allem, dass ein Vergleich von Rentenbestands- und Rentenzugangszahlen methodisch problematisch ist: Personen im Rentenbestand (also in der Gesamtheit der Rentnerinnen und Rentner) sind weit überwiegend zu gänzlich anderen rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen in Rente gegangen als aktuelle Zugänge. So war es in früheren Jahren möglich, vorzeitig ohne Abschläge in Rente zu gehen, beitragsfreie Zeiten wurden anders bzw. besser bewertet und Schul- sowie Hochschulausbildung wurden im Umfang von bis zu 13 Jahren als rentensteigernd anerkannt. Zudem sind im Bestand an Altersrenten auch „umgewandelte“ Renten wegen Erwerbsminderung erhalten; das sind Altersrenten, die im Anschluss an eine Rente wegen Erwerbsminderung geleistet werden (etwa wegen Erreichens der Regelaltersgrenze). Der Altersrentenzugang hingegen enthält ausschließlich Solo-Altersrenten ohne diese „Umwandlungsfälle“. Die Ursachen für die Unterschiede zwischen Rentenbestands- und Rentenzugangszahlen sind also sehr vielfältig.
Die Komplexität des Vergleichs zwischen „Zugang“ und „Bestand“ lässt sich am Beispiel der Renten von Frauen verdeutlichen: In den Jahren 2012 bis 2015 und 2017 bis 2021 war der durchschnittliche Zahlbetrag in den Zugängen größer als im Bestand. Am wahrscheinlichsten hierfür sind biografische Ursachen, die einzelnen Vergleiche stellen nur Momentaufnahmen dar. Interessant ist zudem, dass insbesondere die Renten der Frauen in Ostdeutschland in den meisten der zuvor benannten Jahre im Zugang höher waren als im Bestand. Vermutlich waren diese weniger stark von Arbeitslosigkeit in der Zeit nach der Wiedervereinigung betroffen als ostdeutsche Männer.
Fazit: Pauschale Aussagen à la „Wenn Neurentner weniger Geld in der Tasche haben als Bestandsrentner, ist das eine fatale Entwicklung", treffen nicht zu. Thesen, wonach „der Pfeil nach unten zeige“ sind politisch motiviert. Zur umfänglichen Betrachtung bedarf es aus Sicht der Deutschen Rentenversicherung wesentlich komplexerer Analysen und differenzierterer Schlussfolgerungen.
Weiterführende Informatinen finden Sie im Artikel "Entwicklung des Übergangs in die Altersrente bei den Geburtsjahrgängen 1936 bis 1952" von Tanjana Mika und Tino Krickl im Heft 4 der Zeitschrift DRV 2020.