In der medizinischen Rehabilitation verändert die fortschreitende Digitalisierung die Versorgungspraxis. Digitale Technologien eröffnen neue Perspektiven. Sie haben das Potenzial den Rehabilitationsprozess flexibler und individueller zu gestalten, indem sie zeit- und standortunabhängige Therapieangebote ermöglichen, den Transfer in den Alltag erleichtern und so ein besonderes Potenzial besitzen, die Versorgungsqualität nachhaltig zu verbessern.
Die Deutsche Rentenversicherung fördert mit einem neuen rentenversicherungsträgerübergreifenden Forschungsschwerpunkt die Evidenz zur Digitalisierung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Bitte reichen Sie bis zum 30. September 2025 Ihre Forschungsidee ein.
Forschungsbedarf
Digitalisierung therapeutischer Reha-Leistungen
Medizinische Rehabilitation der Rentenversicherung ist i.d.R. eine drei bis fünf Wochen ohne Unterbrechung durchgeführte Leistung, die entweder stationär oder ganztägig ambulant in einer dafür zugelassenen medizinischen Rehabilitationseinrichtung stattfindet. Sie umfasst ein breites Spektrum an therapeutischen Leistungen, wobei die einzusetzenden Behandlungselemente entsprechend der jeweiligen Indikation und der individuellen Ausgangssituation variieren können. Auswahl und Durchführung der therapeutischen Leistungen werden durch ein patientenorientiertes Vorgehen geleitet und unterstützen die Ziele der Selbstbestimmung und Partizipation. Die Lebensbedingungen und besonders die jeweils verfügbaren individuellen und sozialen Ressourcen sind in der Therapie zu berücksichtigen.
Es stellt sich die Frage, ob die Nutzung digitaler Techniken neue Möglichkeiten zur Verwirklichung von Personen- und Sozialraumorientierung bei der Ausgestaltung der medizinischen Rehabilitation bietet.
Denkbar sind daher beispielsweise Vorhaben zu folgenden Themenfeldern:
- Einsatz digitaler Technologien und Werkzeuge in der Therapie, z. B. Virtual Reality;
- digitalisierte Leistungsformen
- digital flexibilisierte medizinische Rehabilitation im bisher definierten Rahmen (DigiFlexReha Typ I und II, siehe auch Rahmenbedingungen für Modellprojekte);
- digitale Leistungserbringung abseits des herkömmlichen zeitlichen bzw. räumlichen Leistungsrahmens einer medizinischen Rehabilitation (z. B. digitale Intervalle, digital und berufsbegleitend, vollständig digital);
- Digitalisierungspotenziale und -grenzen von Behandlungselementen, z. B. hinsichtlich Barrierefreiheit (inklusive Sprachbarrieren), Adhärenz, Zielkontrolle;
- Analyse und Differenzierung von Bedarfen sowie Berücksichtigung subjektiver Bedürfnisse und Erwartungen von Betroffenen im Hinblick auf die digitale Leistungserbringung.
Digitale Instrumente in der Diagnostik und Leistungsbeurteilung
Eine differenzierte und zugleich zielorientierte Diagnostik stellt die Grundlage jeder therapeutischen Intervention dar. Im Mittelpunkt der Diagnostik stehen die systematische Erfassung und Bewertung vorhandener sowie beeinträchtigter Funktionen und Aktivitäten sowie deren Auswirkungen auf die individuelle Leistungsfähigkeit und Teilhabe. Spezifisch ausgerichtet auf rehabilitationsrelevante Zielsetzungen und Fragestellungen, gewinnen digitale Technologien und telemedizinische Anwendungen zunehmend an Relevanz für eine präzisere Erfassung, Analyse, Dokumentation und Nutzung diagnostischer Daten und Verbesserung der Qualität sowie der Effizienz der diagnostischen Prozesse. Beachtenswert sind insbesondere Neuerungen, die sich in der Kommunikation mit den Versicherten bzw. im Reha-Team durch die digitale Ermittlung und Speicherung von Daten und Werten ergeben.
Denkbar sind daher beispielsweise Vorhaben im Bereich der Digitalisierung bzw. der digitalen Unterstützung zu folgenden Themenfeldern:
- Diagnostik der Erkrankung und der Funktionsstörungen auf der Ebene der Körperstrukturen und -funktionen zur Abklärung von Ausmaß und Schweregrad der Schädigungen sowie der Beeinträchtigung von Aktivitäten und Teilhabe,
- Diagnostik auf der Ebene der Aktivitäten unter besonderer Berücksichtigung der Anforderungen in Beruf und Alltag (arbeits- und alltagsbezogene Leistungsfähigkeit, z. B. im Rahmen von Functional Capacity Evaluation (FCE)-Verfahren),
- psychosoziale Diagnostik als Eingangs-, Verlaufs- und Abschlussdiagnostik, Berücksichtigung individueller Kontextfaktoren (Umwelt- und personbezogene Faktoren) im Hinblick auf ihre unterstützende oder Barrierewirkung,
- Gesamtbeurteilung der Krankheits- und/oder Behinderungssituation, auch vor dem Hintergrund der individuellen Lebensgeschichte bzw. Leistungsbeurteilung und
- kontinuierliche Verlaufskontrollen.
Digitale Vorbereitung und Unterstützung des Übergangs in Arbeit und Alltag
Eine digitale Vorbereitung auf eine medizinische Rehabilitation kann beispielsweise die Bereitstellung von Informationsmaterial zu Ablauf und Durchführung der Leistung sowie zur Datenerhebung in Form von Assessments umfassen. Eine digitale Nachbereitung der medizinischen Rehabilitation kann digitale Angebote oder Anwendungen umfassen, die nicht Reha-Nachsorge im Sinne der Rentenversicherung sind und daher von ihr nicht vergütet werden.
Überlegenswert sind daher bspw. Vorhaben im Rahmen der Vorbereitung auf die Reha
- zur digitalen Kompetenzentwicklung (im Rahmen von vorgelagerten therapeutischen Ansätzen),
- zur Vorinformation reha-relevanter Aspekte,
- zu vorgelagerten Aufnahmegesprächen,
- zur Abklärung spezieller Anforderungen und der Passung von Rehabilitandin bzw. Rehabilitand und Einrichtung,
- zum Datenaustausch und Datenschutz sowie
- zur prozessualen Gestaltung digitaler Kommunikationswege.
Innovative Vorhaben, die die Begleitung der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden während und nach der Rehabilitation beim Übergang in Arbeit und Alltag unterstützen, sind ebenso denkbar. Dazu zählt die Kommunikation mit relevanten Dritten sowie u. a. die Evaluation von
- Angeboten bzw. digitalen Unterstützungssystemen, die von den Reha-Einrichtungen für die Zeit nach der Rehabilitation angeregt oder als individuelle Selbsthilfe in Eigenverantwortung der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden genutzt werden (z. B. Softwareprodukte ohne Kontakt bzw. Begleitung von Therapeutinnen und Therapeuten), reine Informationsangebote im Internet (z. B. Gesundheitsportale mit Gesundheitsinformationen) oder
- Systeme zur telemetrischen Begleitung und Koordination.
Übergreifende Aspekte
Kooperation und Kollaboration
Die hohe Komplexität der beschriebenen Forschungsbedarfe legt eine multiperspektivische Herangehensweise nahe. Die Zusammenarbeit mehrerer Antragstellender sowie die inter- bzw. transdisziplinäre Bearbeitung von Fragestellungen sind daher ausdrücklich erwünscht.
Darüber hinaus wird einer engen Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Leistungserbringenden, Leistungsträgern sowie betrieblichen Akteurinnen und Akteuren sowie Praxispartnerinnen und -partnern eine hohe Bedeutung beigemessen.
Multizentrisch angelegte Vorhaben unter Einbeziehung von jeweils mehreren Leistungserbringenden erscheinen in besonderem Maße geeignet, um belastbare und generalisierbare Schlussfolgerungen abzuleiten, und werden daher besonders begrüßt.
Wünschenswert ist zudem die Berücksichtigung der Perspektiven der Adressatinnen und Adressaten in allen Phasen des Forschungsprozesses.
Methodische Zugänge
Um die vielfältigen Themengebiete und möglichen Fragestellungen angemessen zu bearbeiten, bieten sich unterschiedliche methodische Zugänge an. Neben Vorhaben, die quantitative und/oder qualitative Primärdaten nutzen, sind grundsätzlich auch (Teil-) Projekte förderfähig, die Aspekte der Thematik in Form umfassender systematischer Übersichtsarbeiten oder Metaanalysen aufbereiten oder Sekundäranalysen vorliegender Daten (beispielsweise Routinedaten der Rentenversicherung) vorsehen.
Denkbar sind auch innovative Vorhaben zur Neu- und Weiterentwicklung von Forschungsdesigns oder Erhebungsinstrumenten und -verfahren sowie (statistischen) Methoden und Techniken, um den Transfer der Erkenntnisse in die Praxis zu beschleunigen (z. B. iterative Datenauswertungen).
Akzeptanz und Wirksamkeit
Steht die Wirksamkeit einer digitalen Anwendung im Zentrum der beantragten Studie, sollte ein geeignetes Kontrollgruppendesign geplant werden; idealerweise ist eine Randomisierung vorzusehen. Alternativ möglich sind quasi-experimentelle Designs (z. B. Propensity Score Matching, Fixed Effects-Regression) mit naturalistischen Kontrollen. Zudem sind weitere innovative Forschungsdesigns für Wirksamkeitsnachweise zur Einreichung aufgefordert.
Wünschenswert sind Forschungsdesigns, die über die Ermittlung von Durchschnittseffekten hinausgehen, um die differentielle Wirksamkeit digitaler Angebote in unterschiedlichen Gruppen von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden zu analysieren, beispielsweise in Hinblick auf den Aspekt der sozialen Unterschiede.
Generell stellt sich die Frage, inwiefern die Erwerbsfähigkeit bzw. die gesundheitliche Entwicklung langfristig durch die Nutzung digitaler Leistungen und Prozesse in der medizinischen Rehabilitation gesteigert oder auch unter günstigeren Bedingungen ähnlich stark beeinflusst werden kann. Gefördert werden deshalb auch Vorhaben, die eine Nichtunterlegenheit bzw. Äquivalenz digitaler Angebote gegenüber konventionellen Leistungen aufzeigen.
Wirksamkeitsnachweise können zudem eine Analyse zur Akzeptanz und Machbarkeit der digitalen Leistungen einschließen.
Verstetigung
Für eine Förderung infrage kommen insbesondere Vorhaben, für die ein höchstmöglicher Transfererfolg zu erwarten ist. Dafür ist bereits im Antragsverfahren die Verstetigung mitzudenken. Das Transferpotenzial sowie der erwartete Reifegrad für den unmittelbaren Praxistransfer nach Projektende sind explizit darzulegen.
Während der Projektlaufzeit sollen konkrete Ansätze entwickelt werden, wie der Transfer und die Skalierung der Projektergebnisse gelingen können. Dies gilt idealerweise auch im Hinblick auf rechtlich begründete und/oder ökonomische Einflussfaktoren.
Sofern es sich bei dem erwarteten Projektergebnis (auch) um ein Digitalprodukt (z. B. Webseite, App, Software) handelt, wird die Entwicklung eines Geschäftsmodells erwartet, das die Verstetigung, Verbreitung und Finanzierung nach Projektende sichert. Dies kann die Einbindung in die Angebote bspw. von Rentenversicherungsträgern, von Reha-Einrichtungen oder auch neue privatwirtschaftliche Angebote umfassen.
Gesundheitsökonomische Betrachtung
Eine gesundheitsökonomische Betrachtung der Digitalisierung der medizinischen Rehabilitation kann sich auf verschiedene Kosten-Nutzen-Aspekte, Effizienzsteigerungen und Modelle konzentrieren, die die direkten und indirekten Kosten in den Blick nimmt und hinsichtlich der Einsparpotenziale untersucht. Die Nutzenbetrachtung und die Verbesserung der Versorgungsqualität sowie die Verbesserung der Teilhabe sollen hier im Fokus stehen.
Gefördert werden demnach auch Vorhaben, die die ökonomischen Auswirkungen der Digitalisierung medizinischer Leistungen auf die Leistungserbringung, auf das System der Rentenversicherung und die sinnvolle Integration der Digitalisierung in das benannte Versorgungssystem übergreifend betrachten.
Förderungen zur Vergütung von digitalen Leistungen sind im Rahmen dieser Bekanntmachung nicht möglich. Projekte mit vergütungsrelevanten Angeboten sind verpflichtet, dem Antrag einen Letter of Intent (mindestens) des federführenden Trägers zur Finanzierung des Mehrbedarfs für die Laufzeit des Projektes (etwa im Rahmen einer gesonderten Vergütung) beizufügen.
Nicht förderfähige Vorhaben
Nicht gefördert werden insbesondere:
- Vorhaben, die sich ausschließlich oder primär auf Fragestellungen bzw. Leistungen außer- halb der medizinischen Rehabilitation beziehen (z.B. Vorhaben zur beruflichen Rehabilitation oder zu primärpräventiven Leistungen sowie zum Leistungsspektrum der Nachsorge);
- Vorhaben, die sich ausschließlich oder primär auf Teilhabeleistungen anderer Leistungsträger beziehen und somit vordergründig andere Zielgruppen fokussieren als Menschen mit nicht nur vorübergehenden gesundheitlichen Einschränkungen, die Versicherte bzw. Leistungsberechtigte gemäß SGB VI sind;
- Vorhaben zum Verwaltungsverfahren (z. B. Vorhaben zum Online-Antrag oder zur Einrichtungsauswahl);
- Vorhaben zur Digitalisierung von Prozessen innerhalb der Rentenversicherung (z. B. Einrichtungsauswahl);
- Vorhaben, die die solitäre Erstellung von IT-Systemen im Zentrum haben;
- Vorhaben, die in der Vergangenheit oder zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits aus öffentlichen Mitteln (einschließlich Mitteln der Rentenversicherungsträger) unterstützt wurden bzw. werden.
Einreichung der Skizzen
Zweistufiges Verfahren
Die Beantragung von Zuwendungen im Rahmen des Forschungsschwerpunktes erfolgt im Dezernat Reha-Wissenschaften der Deutschen Rentenversicherung Bund in zwei Stufen:
- Reichen Sie bitte zuerst und bis zum 30. September 2025 per E-Mail eine Projektskizze (siehe unten Leitfaden für Projektskizzen) ein.
- Wird das Projektvorhaben im Zuge der internen Begutachtung der Skizze als grundsätzlich förderungswürdig bewertet, kann in einem zweiten Schritt die Aufforderung zur ausführlichen Antragstellung auf Zuwendung erfolgen.
Leitfaden zur Erstellung einer Projektskizze
Beteiligte Träger
- Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg
- Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd
- Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg
- Deutsche Rentenversicherung Bund, Abteilung Rehabilitation (Träger)
- Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Wissenschaften (G&Q)
- Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See
- Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland
- Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
- Deutsche Rentenversicherung Oldenburg-Bremen
- Deutsche Rentenversicherung Rheinland
- Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz
- Deutsche Rentenversicherung Westfalen
Hinweise zur Finanzierung
Das endgültige Gesamtfördervolumen des Forschungsschwerpunktes richtet sich nach Anzahl und finanzieller Ausstattung der bewilligten Projekte. Auf die Festlegung einer Budgetgrenze im Vorfeld wird verzichtet.
Der finanzielle Rahmen der Förderung einzelner Projekte ist nicht festgelegt. Die Projektförderung orientiert sich am inhaltlich und sachlich begründeten Finanzierungsbedarf. Die kalkulierten Mittel müssen im angemessenen Verhältnis zum geplanten Vorhaben stehen.
Organisation und Kontakt
Deutsche Rentenversicherung Bund
Dezernat Reha-Wissenschaften
10704 Berlin
Ansprechpartnerinnen
Ariane Funke
Kristina Kulisch